"Star Wars"-Regisseur J. J. Abrams "Optimismus ist kein Verbrechen"

US-Regisseur J. J. Abrams hat schon der "Star Trek"-Reihe neues Leben eingehaucht. Jetzt soll er "Star Wars" endgültig zum größten Film-Franchise der Erde machen. Ein Gespräch über Fans und die DNA der Sci-Fi-Saga.
Wächter über die "Star Wars"-DNA: US-Regisseur J.J. Abrams

Wächter über die "Star Wars"-DNA: US-Regisseur J.J. Abrams

Foto: Kiyoshi Ota/ dpa

SPIEGEL ONLINE: Mr. Abrams, was erwartet uns in "Das Erwachen der Macht"?

Abrams: Schauen Sie sich den Film an. Ich verrate nichts.

SPIEGEL ONLINE: Die gesamte Produktion stand unter höchster Geheimhaltungsstufe. Ist dieses Spiel mit den Erwartungen Teil des Vergnügens?

Abrams: Bleibt mein Geheimnis.

SPIEGEL ONLINE: Kennt wenigstens die NSA das Drehbuch?

Abrams: Dann wären die wirklich gut.

SPIEGEL ONLINE: George Lucas hat Sie als seinen Nachfolger auserkoren. Was hat er zu Ihnen gesagt, als er Ihnen anbot, "Das Erwachen der Macht" zu drehen?

Abrams: Er hat gesagt: Das ist dein Film, ich werde nicht an das Set kommen, ich werde nicht da sein. Ich habe ihn dann später in den Schneideraum eingeladen, doch er hat sehr höflich abgelehnt und gesagt, dass er es nicht abwarten kann, den fertigen Film zu sehen. Er würde gern zum ersten Mal in seinem Leben einen "Star Wars"-Film sehen wie ein Fan. Ich weiß nicht genau, was er denkt und wie er fühlt, aber ich glaube, für ihn hieß es: alles oder nichts. Vielleicht war es für ihn das Ende einer Reise.

Zur Person

Jeffrey Jacob Abrams, 49, ist ein amerikanischer Regisseur und Drehbuchautor. Er machte sich zunächst mit TV-Serien einen Namen, war Regisseur und Produzent von "Felicity" und "Lost". "Mission: Impossible III" war der erste Spielfilm, bei dem er Regie führte, es folgten "Cloverfield", "Star Trek" und "Super 8". Abrams gilt als Erneuerer des amerikanischen Unterhaltungskinos im Geiste von Steven Spielberg und George Lucas.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie bei "Das Erwachen der Macht" gelegentlich seinen Rat gesucht? Lucas soll Ihnen ja Vorschläge fürs Drehbuch gemacht haben.

Abrams: Wir haben einige Male miteinander gesprochen. Für George ist das alles sehr schwierig, wahrscheinlich machen wir uns gar keine Vorstellungen, wie schwierig. Er hat etwas geschaffen, was einen ungeheuren Einfluss auf unsere Kultur hat und ihn selbst als Menschen stark geprägt hat. Und nun gibt er es in fremde Hände. Das ist ein mutiger Schritt. George ist kein alter Mann, dem die Ideen ausgegangen sind.

SPIEGEL ONLINE: Viele Fans sind der Ansicht, dass die letzten drei "Stars Wars"-Filme von Lucas nicht mehr an das Niveau der ersten drei heranreichten. Wie sehen Sie das?

Abrams: Ich kenne viele Menschen, die es genau umgekehrt sehen. Wenn sie 100 Zehnjährige fragen, welcher "Star Wars"-Film der beste ist, werden 90 von denen sagen: "Die Rache der Sith". Jede Wette. Ich selbst bin ein Fan der ersten Stunde, ich war elf Jahre alt, als ich "Star Wars" sah. Kein Film, den ich mit 30 oder 40 sehe, kann mich so erwischen. Aber jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung.

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SPIEGEL ONLINE: Wie verlief die Arbeit am Drehbuch von "Das Erwachen der Macht"?

Abrams: Es gab bereits ein Team von Autoren, als ich dazukam. Sie hatten auch schon angefangen, sich über die Story Gedanken zu machen, aber es gab noch keinen Plot. Es war wie bei einer Fernsehserie, alle saßen im Writers' Room zusammen. Für mich war es sehr wichtig, Lawrence Kasdan dabei zu haben. Er hat Yoda vor über 30 Jahren eine Stimme gegeben und sich die coolen Sprüche für Han Solo ausgedacht! Er kannte die Welt, die wir mit neuem Leben füllen wollten, bis in den letzten Winkel.

SPIEGEL ONLINE: Han Solo, Luke Skywalker, Prinzessin Leia oder auch Chewbacca tauchen in "Das Erwachen der Macht" offenbar alle wieder auf. Ein Nostalgie-Trip?

Abrams: Nein, es war von Beginn an klar, dass wir die drei frühen Filme fortführen würden. Da lag es nahe, die Figuren wieder auftauchen und sie von den gleichen Schauspielern darstellen zu lassen. Wir haben uns einfach die Frage gestellt: Was haben die Figuren in der Zwischenzeit erlebt, wo stehen sie jetzt? Wir wollten eine würdige Übergabe hinbekommen, von der alten zur jungen Generation.

SPIEGEL ONLINE: Für "Das Erwachen der Macht" haben Sie ganz altmodisch viele Dekors bauen lassen, statt sie digital herzustellen. Warum?

Abrams: Heute leiden Filme oft darunter, dass sie zu stark auf Computerbilder vertrauen. Ich bin ein großer Fan dieser Technik, weil sie uns erlaubt, Bilder herzustellen, die auf keine andere Art erzeugt werden könnten. Aber ich kenne auch ihre Grenzen. Wenn die Schauspieler vor einer grünen Wand agieren müssen, bewegen sie sich im luftleeren Raum. Das wollte ich vermeiden. Und dann wollte ich bei den Zuschauern ein ähnliches Gefühl erzeugen, wie ich es als Kind beim ersten "Star Wars"-Film hatte.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben gesagt, dass "Star Wars" der wichtigste Film Ihrer Generation war. Warum hatte er eine so enorme Wirkung?

Abrams: Er verband Märchen, Mythen und Technologie zu einer Einheit. Es kam viel zusammen: die Figurenzeichnung, der Humor, die Vision einer Welt und ein packendes audiovisuelles Konzept. Der Film ließ die Leute auch deshalb nicht mehr los, weil er seine Geschichte nicht zu Ende erzählte und viele Fragen offen ließ. Bevor die weiteren "Star Wars"-Filme kamen, hatte jeder Zuschauer schon seine eigenen Fortsetzungen im Kopf.

SPIEGEL ONLINE: Hollywood drehte in den Siebzigerjahren sehr düstere Filme. Kam "Star Wars" zur rechten Zeit?

Abrams: Ja, nach dem Vietnamkrieg und der Watergate-Affäre herrschten Unsicherheit und Zynismus. Dann kam "Star Wars" und erinnerte die Zuschauer daran, dass Hoffnung auch zum Leben gehört. Der Film spielte zwar in einer weit, weit entfernten Galaxis, aber er erzählte von uns. Hätte der Film in der Wirklichkeit der Siebzigerjahre gespielt, wäre uns sein Optimismus vermutlich sehr naiv vorgekommen.

SPIEGEL OLINE: Jetzt leben wir wieder in Zeiten großer Unsicherheit, viele Menschen fürchten sich vor Gewalt, Krieg und Terror.

Abrams: Die "Star Wars"-Filme sparen die Schattenseiten unserer Welt nicht aus. Wie in den meisten Märchen gibt es in ihnen Kräfte des Bösen, die morden und Kriege führen, um die Herrschaft zu erringen. Aber die Filme zeigen auch, wie stark die Kräfte des Guten sind. Sie lehren uns: Du wirst bekämpft, wenn du andere terrorisierst.

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SPIEGEL ONLINE: Kein Eskapismus?

Abrams: Nichts ist einfacher, als die Leute in Depressionen zu stürzen. Die Nachrichten machen das ständig. Die "Star Wars"-Filme dagegen sagen: Lass dich von den schlechten Nachrichten nicht unterkriegen, es gibt auch eine andere, hellere Seite. Menschen wie du und ich können Großes vollbringen, es ist nie zu spät, an das Gute zu glauben. Optimismus ist kein Verbrechen.

SPIEGEL ONLINE: Die "Star Wars"-Serie hat viele Millionen Fans. Können Sie außer Acht lassen, was die sich vom neuen Film erhoffen?

Abrams: Nein, denn ihnen liegt das Universum, das George erschaffen hat, wirklich am Herzen. Natürlich kann man sagen, dass es jetzt Disney gehört, weil George es ihnen verkauft hat. Tatsächlich aber gehört es den Fans. Zu wissen, wie viel ihnen das alles bedeutet, wie hungrig sie nach neuen Geschichten sind, ist einfach beglückend.

SPIEGEL ONLINE: Viele von ihnen haben sehr präzise Vorstellungen, wie die Geschichte weitergehen sollte. Sind die Fans eine ernst zu nehmende kreative Kraft?

Abrams: Natürlich nehme ich zur Kenntnis, was die Fans umtreibt. Ich will ja keine Geschichte erzählen, die niemanden interessiert. Doch andererseits haben alle ganz unterschiedliche Vorstellungen. Es ist ein gigantisches Durcheinander einander widerstreitender Ideen und unvereinbarer Vorschläge. Davon muss man sich frei machen, sonst verirrt man sich. Es geht eher darum, die Energie, die Ernsthaftigkeit und den Enthusiasmus der Fans zu nutzen, sich davon antreiben zu lassen.

SPIEGEL ONLINE: Vor ein paar Jahren setzten die "Herr der Ringe"-Fans das Studio New Line mit einer Internet-Petition unter Druck und sorgten dafür, dass der Regisseur Peter Jackson auch den "Hobbit" verfilmte. Fürchten Sie sich vor der Macht der Fans?

Abrams: Ich habe weniger Angst vor den Fans, als dass ich ihnen dankbar bin. Aber ich verstehe, was Sie meinen. Doch da ich selber Fan bin, verstehe ich die Fans besser.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie Ihre eigenen Kinder in die "Star Wars"-Welt eingeführt?

Abrams: Ich habe ihnen zunächst die frühen Filme gezeigt. Ist schon viele Jahre her. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dass es einen siebten Film geben würde, geschweige denn, dass ich dabei Regie führen würde.

SPIEGEL ONLINE: Wie alt waren Ihre Kinder, als Sie die "Star Wars"-Filme sahen?

Abrams: Die beiden älteren waren sieben oder acht, der jüngste war viel zu klein, als er "Die Rache der Sith" sah. Der Film ist ja ziemlich düster.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie die Filme durch Ihre Kinder mit anderen Augen gesehen?

Abrams: Durch die Kinder wurde mir bewusst, dass es gar nicht in erster Linie um Lichtschwerter und Raumschiffe geht. Es geht in den Filmen darum, dass Menschen, die sich am Anfang der Geschichte noch gar nicht kennen, zusammenkommen und eine untrennbare Einheit bilden. Solche Freundschaften wünscht sich wahrscheinlich jeder von uns. Es ist eines der vielen schönen Nebenprodukte des Vaterseins, dass man vieles noch mal neu sieht. Man begreift wieder, warum es Kino gibt.

SPIEGEL ONLINE: Gehört "Star Wars" zum Weltkulturerbe?

Abrams: Ja, in dem Sinne, dass wir es nicht zerstören und nicht beschädigen, sondern bewahren wollen. Allerdings fühlt es sich nicht an wie ein Objekt, sondern wie etwas Lebendiges, das sich weiterentwickelt. "Star Wars" ist größer als jeder Film, größer als jeder Mensch. Wir sind jetzt eine Zeitlang die Wächter über diese außerordentliche Lebenskraft, in deren DNA sehr viel Herz, Humor und Abenteuer angelegt ist.

Im Video: Der Filmtrailer zu "Star Wars - Erwachen der Macht"

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