Doku über Homosexualität in der DDR Ausspioniert bis ins Bett

Doku über Homosexualität in der DDR: Ausspioniert bis ins Bett
Foto: Deja-vu/ Galeria Alaska/ private ArchivgeberSucht man im Internet nach Bildern von Erich Honecker, stößt man auf ziemlich viele, auf denen die oberste DDR-Führungskraft einen Mann auf den Mund küsst. Mal Leonid Breschnew und mal Michail Gorbatschow, beides ehemalige Machthaber der Sowjetunion. Schaut her, so eng sind wir und unsere kommunistischen Systeme miteinander verbunden! Große, theatralische Gesten der Innigkeit, die um die Welt gingen. Auf die Protagonisten aus Jochen Hicks und Andreas Strohfeldts Film "Out in Ost-Berlin" müssen diese Küsse ziemlich verlogen gewirkt haben. Sie sind lesbisch oder schwul und lebten damals, als Deutschland geteilt war, in der DDR.
Auch wenn Erich Honecker kamerawirksam andere Staatsführer küsste: Den Männern und Frauen, die die Filmemacher für ihre Dokumentation interviewt haben, war es nicht einfach möglich, sich mit Gleichgeschlechtlichen in der Öffentlichkeit nahezukommen. Obwohl das DDR-Regime den Paragrafen 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, bereits 1968 - und damit früher als die BRD - abgeschafft hatte, bemühte es sich darum, dass sich Menschen nicht offen als lesbisch oder schwul outeten.

Doku über Homosexualität in der DDR: Romeos für Schwule
Pointiert rekonstruieren die Filmemacher Hick und Strohfeldt in ihrer Doku die Leben von 13 homosexuellen Frauen und Männern aus der DDR. In kurzen, sich abwechselnden Interviewsequenzen skizzieren sie deren Lebenslinien, unterbrochen von alten Bildern aus Wochenschauen und Familienalben. Ihre Protagonisten gingen sehr unterschiedlich mit dem sie ablehnenden Staat um: Manche versuchten ihn langsam von innen zu verändern, andere suchten die offene Konfrontation.
Liebesleben in Stasi-Akten
Die Deutschlehrerin Marina Krug etwa trat offen für die Rechte von Lesben ein. Sie tat sich mit Gleichgesinnten in einem Arbeitskreis zusammen. Irgendwann aber hielt sie den Druck der DDR-Führung nicht mehr aus: Sie flüchtete nach West-Berlin. Der Übersetzer Klaus Laabs dagegen war überzeugt von dem politischen System, in dem er lebte. Er versuchte innerhalb der Partei um Verständnis für sich zu werben. Die Folge: Sie schloss ihn aus.
Eines haben alle Befragten gemeinsam: Sie konnten ihr Liebesleben später in Stasi-Akten nachlesen. Sie alle waren Teil eines Systems, das nicht davor zurückschreckte, "Romeos" gegen sie einzusetzen: Männer oder Frauen, die sie verführen sollten, um im Bett an intime Informationen zu gelangen.
Wie hat es sich angefühlt, ständig einem diffusen Druck ausgesetzt zu sein? Wenn man an "Out in Ost-Berlin" etwas kritisieren kann, dann, dass sich der Film nicht ausreichend Zeit für die Emotionen seiner Protagonisten nimmt. Man möchte sie näher kennenlernen. Die Filmemacher aber springen zu rasant zwischen ihnen hin und her. Das bringt Tempo, aber auch Distanz.
"Das Wesentliche war die Mutti"
Trotzdem ist "Out in Ost-Berlin" mehr als nur eine weitere lehrreiche DDR-Dokumentation. Hick und Strohfeldt verdeutlichen einem als Zuschauer ein Grundproblem der DDR: Freizügig war der kommunistische Staat nur dann, wenn er sich davon einen Nutzen versprach. Noch bis heute wird gerne davon gesprochen, der Staat ostwärts der Mauer sei ein Idyll der sexuell Erfüllten gewesen. Zügelloser, häufiger und besser hätten die DDR-Einwohner Sex gehabt, verglichen mit den Menschen in der BRD. Diesen Schluss konnte man vor drei Jahren etwa aus der ARD-Doku "Liebte der Osten anders?" gewinnen. Das mag sein. Aber: Es galt nur, wenn als Folge der Zügellosigkeit viele kleine Genossen zu erwarten waren. Frauen und Frauen? Männer und Männer? Nutzlos.
"Wir haben die DDR nie als links verstanden, sondern als ultrakonservativ. Das Wesentliche war die Mutti", sagt Christian Pulz, einer der Protagonisten in "Out in Ost-Berlin". Das kommt einem irgendwie erschreckend aktuell vor, oder?
"Out in Ost-Berlin - Lesben und Schwule in der DDR". Start: 31.10. Von Jochen Hick und Andreas Strohfeldt.
