Teenagertragödie "Restless" Der Tod steht ihnen viel zu gut

Teenagertragödie "Restless": Der Tod steht ihnen viel zu gut
Foto: Sony PicturesDer Tod fasziniert Gus Van Sant. Der US-Regisseur, der Ende der achtziger Jahre mit Indie-Filmen bekannt wurde, hat ihm sogar drei Filme am Stück gewidmet, seine "Death Trilogy": "Gerry" (2001), " Elephant" (2003) und " Last Days " (2005) basieren jeweils auf wahren Begebenheiten. In ihnen spürt Van Sant Menschen nach, deren Leben aus unterschiedlichsten Gründen bald zu Ende gehen wird. Mal sind es zwei Kumpels namens Gerry, die sich in der Wüste verlaufen, mal Teenager vor einem Highschool-Massaker wie in Columbine, mal die letzten Tage eines fiktiven Rockstars, der an Kurt Cobain erinnert.
Auch "Restless", den Gus Van Sant nach dem ersten Drehbuch von Schauspieler Jason Lew umgesetzt hat, handelt vom Tod. Nur scheint das Sterben diesmal als bloße Kulisse für eine Teenager-Romanze zu dienen. Es scheint, als hätte sich der Regisseur zu lange und zu intensiv mit diesem Sujet beschäftigt, als dass er noch allzu großes Interesse dafür aufbringt.
Dabei ist das Ausgangsszenario durchaus interessant: Eignet sich eine Beerdigung für den Beginn einer großen Liebe? In "Restless" schon. Denn die beiden Teenager, die sich in klammer Friedhofs-Atmosphäre ineinander verlieben, sind ganz schön morbide.
Enoch (Dennis Hoppers Sohn Henry) ist auf die Trauerfeier gekommen, ohne den Verstorbenen gekannt zu haben. Er trägt gerne altmodische schwarze Anzüge und drückt sich öfter auf Beerdigungen fremder Menschen herum, seit seine Eltern bei einem Autounfall gestorben sind. Mit der Welt der Lebenden will Enoch nichts mehr zu tun haben, sogar sein bester Freund ist ein Toter, Hiroshi (Ryo Kase), der Geist eines im Zweiten Weltkrieg gefallenen japanischen Kamikaze-Fliegers.
Annabel (Mia Wasikowska), die mit dem Verstorbenen befreundet war, erkennt sofort, dass Enoch als Trittbrettfahrer auf der Beerdigung ist, sie spürt die Lebensmüdigkeit, die ihn begleitet. Hartnäckig verfolgt sie ihn, beseelt davon, ihn ins Leben zurückzuholen. Gar nicht so einfach, denn auch bei Annabel dreht sich alles um den Tod: Sie hat Krebs und nur noch wenige Monate zu leben. Die Krankheit soll jedoch nicht zum Mittelpunkt ihres Lebens werden, also genießt Annabel die Zeit, die ihr noch bleibt, so gut es eben geht. Das Problem: So konsequent Annabel versucht, die grausame Seite des Sterbens zu ignorieren, so konsequent tut das auch der Film.

"Restless": Sterben in schöner Kulisse
"Kids, die Krebs haben, wollen nicht deprimiert im Bett liegen. Sie wollen raus und ein bisschen Spaß haben" sagte Gus Van Sant kürzlich in einem Interview. Das mag stimmen, aber zur Krankheit gehören eben auch Wut, Trauer, Verzweiflung und körperlicher Verfall. Davon zeigt der Film nichts. Annabel trägt stets ein tapferes Lächeln im blassen Gesicht und sieht mit ihrer adretten Kurzhaarfrisur stets bezaubernd aus. Bezaubernd wie das ganze Ambiente des Films, mit dem Van Sant ganz offensichtlich seinen Arthouse-Anspruch mit Massentauglichkeit versöhnen will.
Schwelgen im Retro-Look
Seit über 20 Jahren changiert der Filmemacher meisterlich zwischen konsequentem Independent-Kino und Mainstream. Arthouse-Erfolge wie "Drugstore Cowboy", " My Private Idaho " oder seine Todestrilogie mischen sich mit erbaulichen Publikumserfolgen wie "Good Will Hunting" und " Milk ", der 2008 Oscar-Nominierungen für den besten Film und die beste Regie erhielt.
"Restless" trägt nun einen stylischen Indie-Look vor sich her, lässt aber die Rohheit und Radikalität früheren Vant-Sant-Filme vermissen. In milde Herbsttöne getaucht, lässt er seine beiden Außenseiter-Figuren durch eine hübsche Retro-Kulisse wandeln: Handys und Internet, Faktoren die das Leben eines jeden Teenagers heute mehr als alles andere definieren, fehlen, Annabel immerhin scheint trotz häufiger Arztbesuche noch genug Zeit zu haben, alle Second-Hand-Läden in Portland leer zu kaufen, so originell und abwechslungsreich ist ihre Kleidung. Beide pflegen auffällig schrullige Hobbys: Enoch spielt exzessiv Schiffe versenken mit Hiroshi, Annabel ist begeistert von Darwin und lernt Tierlexika auswendig.
Auch der Tod wird zu einer Schrulle der beiden Hauptfiguren, einem dramaturgischen Faden, an dessen Ende jedoch keine echte Erkenntnis oder Wahrheit zu finden ist. Die Traurigkeit Enochs und Annabels tragisches Schicksal erzeugen eine hinreichend gedämpfte, leicht morbide Stimmung, in der das junge, romantische "Twilight"-Publikum sicher schön schwelgen kann. Das ist charmant, und dennoch verhält sich "Restless" zu früheren Filmen Gus Van Sants wie eine gerüschte H&M-Bluse zu einem echten Vintage-Stück: Ganz hübsch, aber irgendwie nicht dasselbe.