"The Cakemaker" Eine Liebe, größer als der Tod
Wenn schon im Vorspann eines Films verheißungsvoll Kuchenteig geknetet wird, schrillen gleich die Alarmglocken: Wird das hier eine süßlich-klebrige Angelegenheit? Romantik-Kitsch à la "Chocolat", mit prallen Pralinen als Symbol für Liebe und Leidenschaft? Nein, da besteht bei "The Cakemaker" keine Gefahr.
Die Hauptfigur ist zwar der titelgebende deutsche Zuckerbäcker, aber Liebe geht in diesem Film glücklicherweise nicht durch den Magen. Will man denn unbedingt Analogien bemühen, erinnert er eher an einen flüchtigen Duft, der lange verschüttete Gefühle weckt.
Der Film des Regisseurs und Drehbuchautors Ofir Raul Grazier vertritt Israel bei der kommenden Oscar-Verleihung und wurde in dessen Heimat bereits mit dem dortigen Pendant, dem Ophir-Award, als bester Film 2018 ausgezeichnet. Ungewöhnlich für ein Debüt. Aber tatsächlich ist "The Cakemaker" ein sehr erstaunlicher Liebesfilm.
Die Geschichte von "The Cakemaker" beginnt in Berlin, wo Thomas (Tim Kalkhof) in einem kleinen Café arbeitet. Einer seiner Stammkunden ist der Israeli Oren (Roy Miller), der vor allem Thomas' Zimtkekse liebt. Bald sind die beiden ein Paar. Allerdings sehen sie sich nur einmal im Monat, denn Oren pendelt zwischen Jerusalem und Berlin und hat zuhause Familie: Der Architekt ist mit Anat (Sarah Adler) verheiratet, der Sohn geht gerade in die Schule.
Der Deutsche erweist sich als Glücksgriff
Nach seinem letzten Besuch reagiert Oren nicht mehr auf Thomas' Anrufe. Nach qualvoller Ungewissheit erfährt der: Oren ist in Jerusalem bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Einige Wochen später entschließt sich Anat trotzdem, wie schon zuvor geplant ihr kleines Café zu eröffnen. Einer ihrer ersten Gäste ist ein junger Deutscher, der sie nach einem Job als Aushilfe fragt. Zunächst lehnt Anat ab, aber weil der Laden besser läuft als vermutet, kann sie Hilfe bald gut gebrauchen. Der Deutsche erweist sich als Glücksgriff, denn er backt himmlische Zimtkekse, die bald reißenden Absatz finden.
Natürlich handelt es sich um Thomas, und es ist eine der zahlreichen klugen Entscheidungen von Ofir Raul Grazier, dass er die Zuschauer sehr lange im Ungewissen darüber lässt, was Thomas eigentlich von Anat will. Das ist im Fall von "The Cakemaker" mehr als ein dramaturgisches Mittel zur Spannungssteigerung; der Film behält so eine absichtslose Offenheit. Thomas lässt sich ganz von seinen Gefühlen leiten - der Trauer um den Verlust des Geliebten, der Sehnsucht, ihm trotzdem noch nahe zu sein.

The Cakemaker: Leidenschaft und Zimtkekse
Verloren, stumm und allein streift Thomas durch Jerusalem, geht in das Schwimmbad, das auch Oren immer besuchte, öffnet dort mit einem Schlüssel, den Oren bei ihm vergessen hatte, dessen Spind. Später sieht man ihn in Orens Badehose auf dem Bett liegen - der verzweifelte Versuch, Verbundenheit durch ein Stück Textil aufleben zu lassen.
Nur eine Handvoll Worte gesteht das wunderbar zurückgenommene Drehbuch der Figur des Thomas zu, und selbst diese spricht sein Darsteller Tim Kalkhof leise und schüchtern. Der Nachwuchs-Schauspieler spielt Thomas ganz mit seinem muskulösen Körper, und der wirkt wie ein Gefäß, das die Trauer über den Verlust des Geliebten kaum zu fassen vermag.
Die Suche nach dem Ausweg aus dem Gefängnis der Einsamkeit
Die US-Branchenzeitschrift Variety listet Kalkhof wegen dieser Darstellung auf ihrer Liste "10 Europeans to watch", eine schöne Bestätigung für die Tiefe seiner Leistung. Zurückgenommen spielt auch die Darstellerin der Anat, die Israelin Sarah Adler. Sie war zuvor in dem hoch gelobten Drama "Foxtrot" zu sehen, das auch in Deutschland in den Kinos lief und im vergangenen Jahr mit dem Ophir-Award ausgezeichnet wurde.
"The Cakemaker"
Israel, Deutschland 2017
Buch und Regie: Ofir Raul Graizer
Darsteller: Tim Kalkhof, Sarah Adler, Roy Miller, Zohar Strauss, Sandra Sade
Verleih: missingFilms
Produktion: Laila Films; Film Base Berlin
Länge: 105 Minuten
FSK: ohne Altersbeschränkung
Start: 1. November 2018
"The Cakemaker" braucht diese beiden starken Darsteller, weil Grazier sich mit seinen ruhigen Bildern ganz auf das Beobachten seiner Figuren verlegt. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Grundkonstellation dramatisch anzuspitzen, aber nichts dergleichen geschieht. Als Thomas und Anat sich zum ersten Mal küssen, scheinen beide verwundert über ihr eigenes Tun.
Im Video: Der Trailer zu "The Cakemaker"
Die sexuelle Orientierung der beiden problematisiert Grazier dankenswerterweise nicht. Ob Thomas nun homo- oder bisexuell ist, spielt keine Rolle. Der Film zeigt zwei Menschen, Versehrte der Liebe, auf der Suche nach dem Ausweg aus dem Gefängnis der Einsamkeit.
Das Suchende, Schwebende, Tastende bleibt bis zum Ende erhalten, auch wenn das Drehbuch die Emotionen noch hochschlagen lässt. Was tun wir, fragt er, wenn der, den wir lieben, unwiderruflich verschwunden ist? Kann man die nur mit ihm gespürte Vertrautheit jemals mit einem anderen wiederherstellen? Lässt sich Liebe über Bande spielen? Vielleicht, deutet der Film an, ist es einfach gut zu wissen, dass dieser Mensch auch von anderen geliebt wurde.