Kino-Komödie "The Climb" Ziemlich aus der Puste

Aussprache am Berg: In "The Climb" geht es um zwei Freunde und ihre ungleiche Männerbeziehung
Foto:Prokino
Zwei Rennradfahrer keuchen einen Bergpass hoch, die Sonne brennt unbarmherzig. Einer ist der Auskenner und redet über Trittfrequenzen, der andere ist ein bisschen moppelig, ziemlich außer Puste und dankbar für die Erfahrung. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass nicht die Erlangung körperlicher Fitness Ziel dieser Anstrengung ist, sondern das Aussprechen bitterer Wahrheiten.
Der eine hat nämlich mit der Freundin des anderen geschlafen, mehrfach, auch noch kurz vor der bereits anberaumten Hochzeit. Der Protest geht in Röcheln unter, die Trittfrequenz ist endgültig im Eimer, und wieder einmal zeigt sich, dass es im Leben zuweilen erbarmungslos steil bergauf geht.

In "The Climb" geht es um zwei ungleiche Freunde und ihre toxische Beziehung. Mike (r.) versucht, seinem Freund Kyle seine Beziehung zu Marissa zu vermiesen.
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Das ist ungefähr der Inhalt des Kurzfilms "The Climb", der Anfang 2018 zuerst auf Festivals und dann im Netz für Furore sorgte. Die Macher und Hauptdarsteller Michael Angelo Covino und Kyle Martin arbeiteten zwar mit einer recht offensichtlichen Metapher, aber der Siebeneinhalbminüter brachte in einer einzigen Kameraeinstellung auf begeisternde Weise einen absurd-lakonischen Humor mit spürbarem Stilwillen zusammen. Jetzt haben die beiden Freunde aus "The Climb" einen abendfüllenden Spielfilm gemacht. Leider war das keine so gute Idee.
Sie ahnen, welcher Satz jetzt kommen muss? Nein, man sollte in Filmkritiken nicht mit Dummheiten hantieren, die einem schon in der Schule das Schreiben von Aufsätzen verleideten. Das mit der Kürze und der Würze lassen wir hier also, zumal das Problem von "The Climb" eher eine deftige Überwürzung ist, ein Zuviel an Ideen, das dem Luftigen des Kurzfilms in der Langversion ein Bleigewicht anhängt.
Das zeigt sich schon in der Eröffnungssequenz, die das Szenario der Vorlage wiederholt, nur dass sie diesmal in Südfrankreich statt Kalifornien spielt und das offene Ende mit unnötiger Action aufpeppt - Mike (Covino), der Fremdgeher, prügelt sich hier mit einem französischen Autofahrer, der zudem auch noch Ente fährt.
"The Climb"
USA 2019
Regie: Michael Angelo Covino
Buch: Michael Angelo Covino, Kyle Marvin
Darstellende: Michael Angelo Covino, Kyle Marvin, Gayle Rankine, Judith Godrèche
Produktion: Topic Studios, Watch This Ready et al.
Verleih: Prokino
Länge: 94 Minuten
Freigegeben: ab 6 Jahren
Start: 20. August 2020
Von dort aus widmet sich das Drehbuch weiter der dysfunktionalen Freundschaft zwischen Großmaul Mike und Herzchen Kyle (Marvin), die seit der Highschool Buddies sind. Wobei nicht sicher ist, für wen die Beziehung giftiger ist: den ständig untergebutterten Kyle oder Mike, den seine rücksichtslose Art selbst unglücklich macht. Nach dem Vorfall beim Radfahren und der daraufhin abgeblasenen Hochzeit jedenfalls sehen die beiden sich jahrelang nicht mehr. Bis sie bei einer Beerdigung wieder aufeinandertreffen und ihre Freundschaft von Neuem aufnehmen.
Es dauert allerdings nicht lange, bis Mike alles gibt, um seinem Kumpel dessen neue Beziehung mit Marissa (Gayle Rankin) zu vermiesen. Diesmal angeblich, um ihn zu schützen. Denn auch Kyles Familie ist davon überzeugt: Jetzt buttert Marissa den sanften Hünen unter.
Die in Kapiteln angelegte Geschichte zeigt noch einen Skiurlaub, der in alkoholgetränkten Missverständnissen endet, einen Tag beim Eisfischen, der Kyle beinahe das Leben kostet, und einen neuerlichen Heiratsversuch, der folgenreich unterbrochen wird.

Sogar bei Kyles Hochzeit kreuzt Mike auf und will die Eheschließung verhindern - allerdings mit unvorhergesehenen Folgen.
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Immer verdichten und verknappen Covino und Marvin ihre Geschichte ähnlich wie einen Kurzfilm. Zusammengesetzt ergibt sich daraus allerdings ein Mosaik, das Ausschnitt an Ausschnitt reiht, ohne daraus ein größeres Bild entstehen zu lassen. Obwohl die Psychologie von Männerfreundschaften für eine Satire eigentlich reiche Ernte versprechen sollte.
Covino und Marvin aber interessieren sich für die oberflächlichen Effekte. Seien es die dramaturgischen, die sich durch die mit zeitlichen Sprüngen arbeitende Erzählweise ergeben, oder die stilistischen durch komplex choreografierte, lange Kamerafahrten. Einmal zeigen sie ein missratenes Weihnachtsfest in einer langen Fahrt durch die Fenster von außen. Die Sequenz ist filmtechnisch sicher herausfordernd zu bewerkstelligen gewesen und sieht auch gut aus, aber sie sorgt zugunsten eines Zirkustricks für eine riesige Distanz von den Figuren. "The Climb" ist voll von solchen Momenten.
Die stilistische Selbstverliebtheit sorgt dafür, dass dieser Komödie nach kürzester Zeit der Witz ausgeht, ebenso wie das merkwürdige Männerbild, das hier gefeiert wird. Mike und Kyle haben die innere Reife von Vierjährigen, aber der Film gewinnt nie Distanz zu ihrem Verhalten.
Zwar verkneifen sich die Macher infantile Kalauer, mit denen etwa der Comedy-Grobian Will Ferrell seine Mann-Kinder lächerlich macht. Aber sie nehmen ihre Figuren viel zu ernst und stilisieren sie verkrampft zu eigentlich doch netten Dudes, die es gut meinen, miteinander und ihren Mitmemschen. Die arme Melissa muss dagegen als durchtriebenes, kaltes und manipulatives Biest herhalten.
"The Climb" endet mit einem weiteren Radausflug, der so etwas wie ein patriarchalisches Idealbild heraufbeschwört: Jungs sind nur unter Jungs wirklich glücklich, und der (männliche) Nachwuchs lernt, ohne Stützräder durchs Leben zu fahren. Das ist in seiner Plattheit dann schon ungewollt komisch.