Thriller "Operation Walküre" Geschichte für Anfänger
Seit Steven Spielbergs Holocaust-Drama "Schindlers Liste" (1993) hat kein Hollywood-Film so viel Aufmerksamkeit unter deutschen Zeithistorikern und Feuilletonisten auf sich gezogen wie "Operation Walküre" (2008), Bryan Singers Film über das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944, der an diesem Donnerstag in deutschen Kinos anläuft.
Nach medial weit verbreiteten Patzern während der Produktion und einem vierfach verschobenen Start; nach dem verquasten Streit um die Drehgenehmigung im Bendler-Block und um die religiöse Orientierung von Hauptdarsteller Tom Cruise (als Claus Schenk Graf von Stauffenberg) waren die Erwartungen an den Film denkbar niedrig.
Vielleicht konnte "Valkyrie", so der Originaltitel, daher nur positiv überraschen. Als technisch versiertes, professionell gemachtes, streckenweise auch spannendes Kino, das als Thriller vor historischer Kulisse funktioniert, fand der Film in den Augen der Kritik überwiegend Gnade und wurde auch vom US-Publikum gut angenommen.
Knapp 80 Millionen Dollar hat er seit dem 25. Dezember in den USA umgesetzt - ein Flop sieht anders aus. Und auch eine Apologie Nazi-Deutschlands, wie Roger Friedman in den ultrakonservativen Fox News hysterisch behauptete, ist "Operation Walküre" nun wahrlich nicht.
Er ist aber auch nicht das, was etwa der "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher und der Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck aus ihm zu machen versuchten.
Dass "Deutschlands Hoffnung" Tom Cruise heißen solle (Donnersmarck); dass er das Bild, "das sich die Welt von uns Deutschen macht, verändern" würde (Schirrmacher) - das klang wie Marketing-Parolen der Deutschland AG.
Sicher hat sich der Einsatz von Fördermitteln gelohnt, wenn ein paar Millionen historisch wenig vorgebildeter Deutscher, Amerikaner und Europäer erfahren, dass es einen ernst zu nehmenden militärischen Widerstand gegen Hitler gab. Hollywood-Superstar Tom Cruise zieht eben das Publikum an.
Aber mehr als diese notwendige Korrektur eines heute kaum mehr exklusiv von der NS-Vergangenheit bestimmten Deutschlandbilds im Ausland, wie Schirrmacher und Donnersmarck in völliger Verkennung der Wahrnehmung der Bundesrepublik zwischen New York und San Francisco glauben, bringt der Film nicht.
Jenseits eines Re-Enactments des Juli-Aufstandes, das in vielen historischen Details höchst fehlerhaft ist, wird in "Operation Walküre" kaum Aufklärung geleistet. Es fehlt, wenigstens aus deutscher Sicht, der Stachel, die Provokation zur Auseinandersetzung mit den bemerkenswerten Ambivalenzen des Widerstands.
An dieser Stelle vergibt der Film das Potential seiner Hauptfigur und der übrigen Protagonisten. Der dem Hitler-Attentäter frappierend ähnelnde Cruise spielt einen insgesamt glaubwürdigen Stauffenberg. Er nimmt sogar seinen "Star-Appeal" etwas zurück und ordnet sich in das Ensemble hochkarätiger britischer und deutscher Schauspieler, darunter Christian Berkel und Bill Nighy, ein. Seine Darstellung lässt die kritischen Stimmen vergessen, die warnten, die Widerstands-Ikone Stauffenberg werde durch die Verkörperung durch einen bekennenden Scientologen unrettbar beschädigt. Künstler und Kunstwerk sind jedoch strikt voneinander zu trennen, und von sektiererischem Eifer ist bei Cruises Stauffenberg nun wirklich nichts zu spüren.
Schwerer wiegt, und dies ist dem Regisseur, den Drehbuchautoren (Christopher McQuarrie und Nathan Alexander), aber auch dem Hauptdarsteller vorzuwerfen, dass sie einen eindimensionalen Stauffenberg entwarfen, ohne Ecken und Kanten, ohne Schattenseiten und Vergangenheiten. Ein durchschnittlicher Filmheld wird da auf die Leinwand projiziert, nicht ein aristokratischer Elite-Offizier, der als junger Mann einen Pakt mit dem Teufel schloss.
Hier ist der Vergleich zu "Schindlers Liste" instruktiv. Steven Spielberg dramatisierte das Unsagbare überzeugend, indem er eindringliche, bewegende, lange nachwirkende Bilder zeichnete, und schuf in der Gestalt Oskar Schindlers (verkörpert durch den ohne Allüren, Vorschusslorbeeren und Vorab-Kritik belasteten Liam Neeson) einen fehlerhaften Helden, der gerade deshalb Identifikationsmöglichkeiten eröffnete. "Operation Walküre" hingegen versagt aus historischer Sicht auf ganzer Linie.
Regisseur Bryan Singer ("X-Men", "Superman Returns") bringt uns in der Lichtgestalt Stauffenberg einen Ritter ohne Fehl und Tadel, unerreichbar und jenseits des Lebens. Aufgerüttelt hätten Singer und Cruise, der den Film mitproduzierte, wenn sie den Rassismus, den Militarismus, den rabiaten Antibolschewismus und die anfängliche Begeisterung Stauffenbergs für das "Dritte Reich" gezeigt hätten. Wäre es nicht interessant gewesen, zu erklären, wie und warum, auf welchen verschlungenen Pfaden, aus begeisterten Anhängern und Mittätern der Nazis am Ende Gegner Hitlers und des Nationalsozialismus wurden?
"Operation Walküre" aber ist naiv. Der Film holt quasi die deutsche Widerstandsrezeption der ersten Jahrzehnte nach 1945 für Hollywood nach. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde der 20. Juli von deutschen Politikern wie Bundespräsident Theodor Heuss pauschal heroisiert. Gegen die weit verbreitete Skepsis gegenüber den "Juli-Verrätern" sollte eine positive Tradition geschaffen werden. Die Männer (und Frauen) hinter dem Attentat wurden zu Vorläufern einer demokratischen Ordnung umgedeutet, zu Ikonen des "besseren Deutschland" stilisiert.
Dies war damals, angesichts massiver Überreste nazistischer Orientierungen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft ein notwendiger Schritt. Doch heute können wir uns eingestehen, dass die Mitglieder des deutschen Widerstands keine Agenten einer Westorientierung und Liberalisierung waren, keine Verfassungspatrioten avant la lettre, ohne dass dies die Hochachtung vor ihrem persönlichen Mut und ihrer Opferbereitschaft schmälern würde.
Viele waren reaktionär bis in die Knochen, stark an den alten Ordnungen vor den Pervertierungen des Nationalsozialismus orientiert. Nur wenige, wie Dietrich Bonhoeffer, standen für Freiheit und Demokratie. Hinter diese, der Geschichtswissenschaft lange bekannten Sachverhalte fällt "Walküre" weit zurück.
Schade: Manchmal könnte großes Kino mehr für historische Aufklärung tun.