"Toy Story 2" Von Spielzeug und Menschen
Im vorweihnachtlichen amerikanischen Kino- und Spielzeugmarkt ist der Kampf der Trickfiguren voll entbrannt. Der Start von "Pokémon" und das Merchandise-Fieber, das ihm folgte, übertrafen alle Erwartungen. Doch als zwei Wochen später "Toy Story 2" anlief, stand der Gewinner fest. Das Sequel der computeranimierten Abenteuer des Spielzeugcowboys Woody und des Astronauten Buzz Lightyear hat bereits 117 Millionen Dollar eingespielt.
Auch die neue Folge beruht auf der Faszination des Spielzeugs, das zum Leben erwacht. Pinocchio und Pu der Bär bedurften noch der Marionettenspieler, Cartoonzeichner und der kindlichen Phantasie, um ungelenk die Glieder zu regen. Woody und Buzz Lightyear hingegen liefen als ihre eigenen Herren aus Andys Kinderzimmer in die Welt hinaus. Vier Jahre und einige Softwaregenerationen nach dem ersten Film springen sie noch elastischer vom Regal, werfen noch realistischere Schatten. Doch ihre glatten Oberflächen und schematischen Physiognomien genügten den Animationskünstlern um Regisseur John Lasseter nicht mehr. Während Andy und die wenigen anderen Menschen auch diesmal nur schematisch dargestellt sind, lassen sie mit dem Spielzeugsammler Al McWhiggin ein minutiös gepixeltes menschliches Monster durchs Spielzeugreich schlurfen.
Die Maßstäbe verschieben sich: Phantastisch erscheint nun nicht mehr die Lebendigkeit der kleinen Spielzeugmännchen sondern die Monstrosität des Menschenriesen, den der Zuschauer aus der Spielzeugperspektive erschrocken bestaunt, ohne ganz vergessen zu können, dass er selbst ebenso hässlich ist. Wie unter der Lupe erscheinen Schweißperlen, Hautporen und Nasenlöcher in hyperrealistischen Details. Unendlich langsam hebt und senkt sich der Fleischberg "Big Al", wenn Woody sich durch ein Geröllfeld von Erdnussflips an ihn heranpirscht, ihn besteigt und ihm schließlich seinen abgerissenen Arm aus der Hemdtasche zieht. Das Herz des Zuschauers klopft so schnell wie das von Woody. Dass sie hier die eindeutig besseren Menschen sind, dafür sorgt auch ihr neues voll entwickeltes Seelenleben. Der einstigen Schlichtheit ihrer Spielzeuggemüter sind sie entwachsen, schmerzlich müssen sie lernen, was es heißt, massenproduziert und dem Abfall geweiht zu sein. Woody plagen Alpträume von Mülltonnen ohne Boden, Buzz fällt in eine Krise, als er im Spielzeugladen mit hunderten von Ebenbildern seiner selbst konfrontiert wird.
Auch diesmal durchzieht den Film eine dramatische Rettungsaktion (die Lasseter für ironische Anspielungen auf "Star Wars", "Die Hard" und James Bond nützt). Al erkennt Woody als wertvolles Sammlerstück, entführt ihn und will ihn an ein japanisches Spielzeugmuseum verkaufen. Doch als Woody bei Al seiner Partnerin begegnet, dem jodelnden Cowgirl Jessie, zerreißt ihn fast das Dilemma: Soll er sich für Jessie und für Restaurierung und ewiges Leben in der Vitrine entscheiden oder für Andys vergängliche Treue und das kurze pralle Glück der Kinderzimmerexistenz? Einer romantischen Liebesgeschichte in Toy Story 3 steht nichts mehr im Weg.