"Türkisch für Anfänger" im Kino Ich lach mich Krankenhaus
"Nenn mich noch einmal Schlampe, und du bekommst von mir einen Abschiebestempel direkt zwischen deine Beine." So beginnen große Liebesgeschichten.
Lena (Josefine Preuß) sitzt neben Cem (Elyas M'Barek) im Flugzeug. Gleich wird das Flugzeug abstürzen, Lena und Cem landen auf einer einsamen Insel, und während sie sich noch angiften, verlieben sie sich ineinander. So geschieht es im Kinofilm "Türkisch für Anfänger".
"Türkisch für Anfänger" ist eigentlich eine Fernsehserie, produziert für die ARD. Die Serie, die immer genannt wird, wenn jemand - meistens ein Programmplaner oder Journalist - belegen will, dass es doch gute deutsche Fernsehserien gibt. Das ist richtig, hat aber einen Haken: Die Serie gibt es seit über drei Jahren nicht mehr. Dass sie immer noch herhalten muss, wenn es um deutsche Fernsehqualität geht, liegt daran, dass es nicht viele gute und intelligente deutsche Fernsehserien gibt. Es liegt aber auch daran, dass die Serie wirklich klug und lustig war.
Nun gibt es in Deutschland ja leider auch nur wenige gute Filmkomödien. "Türkisch für Anfänger - der Film" ist auf jeden Fall eine von den besseren. Die Charaktere und Grundkonflikte der Serie wurden übernommen, auch die Schauspieler sind dieselben, die Story aber ist neu erzählt. In der Serie verlieben sich die esoterische Therapeutin Doris Schneider (Anna Stieblich) und der korrekte Polizist Cem Öztürk (Adnan Maral). Mit ihren Kindern Lena und Nils und Cem und Yagmur (Pegah Ferydoni) gründen sie eine Patchworkfamilie und arbeiten sich an allerhand kulturellen Klischees ab. Im Film begegnen sich die Familien Schneider und Öztürk dagegen auf einer Flugreise nach Thailand zum ersten Mal.

Während Cem, Yagmur, der Grieche Costa (Arnel Taci) und Lena auf einer einsamen Insel stranden und sich dort langsam näher kommen, bandeln die Eltern Doris und Metin in der Ferienanlage an, wo sie auf die Rettung ihrer Kinder warten. Lena verzweifelt, weil sie auf der Insel "die Einzige mit Abitur ist und jetzt ganz, ganz stark sein muss". Cem leidet, weil es hier nicht mal geile Weiber gibt. Doris kann nicht akzeptieren, dass sie älter wird, weswegen sie immer noch im Justin-Bieber-Badeanzug auf Discobooten abtanzt.
Die Entscheidung, nicht einfach die Handlung der Serie weiter zu spinnen, sondern neu anzufangen, war richtig. Die Serie ist auserzählt und selbst für Fans dürfte ein Neuanfang spannender sein als der Alltag von Lena, Cem und ihrem Baby, das sich am Ende der dritten Staffel ankündigt. Und so wahnsinnig viele Fans gibt es, mal abgesehen von Programmleitern, Journalisten und Mitgliedern der Grimme-Jury, ja auch gar nicht. Die Quote der Serie lag von Anfang an unter den Erwartungen der ARD, erst nach Zuschauerprotesten wurde eine zweite Staffel bewilligt.
Sie Zicke, er Macho
Fürs Kino muss sich "Türkisch für Anfänger" also eine neue Zielgruppe erschließen. Dafür ist Bora Dagtekin, der Kopf hinter Serie und Film, Kompromisse eingegangen. Das Filmplakat erinnert mit seiner grellen Regenbogenoptik eher an tumbe Sex-Komödien wie "American Pie" oder "Sex on the Beach". Strand und (fast) Sex gibt es denn auch in "Türkisch für Anfänger". Die exotische Strandkulisse hat zudem den Vorteil, dass die Hauptdarsteller den ganzen Film halbnackt herumrennen können. Auch bei der Story hat Autor und Regisseur Dagtekin keine Experimente gewagt. Die Geschichte vom ungleichen Paar, das in der wilden Natur bestehen muss und sich dabei näherkommt, hat ja schon oft funktioniert. Sie zynisch, schlagfertig und ein wenig verklemmt, er voller Machoallüren, nicht so schlagfertig, aber eigentlich ein netter Kerl (siehe "Sechs Tage, sieben Nächte", "Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten", "Crocodile Dundee", "African Queen" etc. pp.).
Bora Dagtekin zeigt dennoch, dass er immer noch einer der originellsten Dialogschreiber der deutschen Film- und Fernsehbranche (zu bewundern auch in seiner zweiten Serie "Doctor's Diary", die von 2008 bis 2011 auf RTL lief) ist. Der Film ist voller Klischees, aber anstatt sie breitzutreten, macht er sich über sie lustig und spielt sie selbstbewusst aus. Die Anzahl der Gags in "Türkisch für Anfänger" ist im Vergleich zu vielen anderen Komödien sehr hoch, und auch wenn die meisten eher klamaukig als intellektuell sind: Sie sitzen.
Schauspielerin Josefine Preuß hat die Rolle der politisch unkorrekten und verbiesterten Lena perfektioniert, im Film lebt sie sie noch einmal voll aus. Wie auch in der Serie überzieht Lena das Geschehen mit ihren bissigen Kommentaren aus dem Off. Schon bei der ersten Begegnung an einer Ampel auf dem Weg zum Flughafen ruft Lena beim Anblick von Yagmur entsetzt: "Oh Gott, ist die etwa verschleiert? Fahr schnell weiter, bevor sie den Zünder drückt!"
Und so beginnt "Türkisch für Anfänger - der Film" genau wie die Serie mit Vorurteilen - und endet mit einer liebenswerten, verkorksten, interkulturellen Patchworkfamilie.