Kriegsfilm "Unbroken" von Angelina Jolie Erlöse uns von seinem Leiden!

Kriegsfilm "Unbroken" von Angelina Jolie: Erlöse uns von seinem Leiden!
Foto: Universal Pictures
Kriegsfilm "Unbroken" von Angelina Jolie: Erlöse uns von seinem Leiden!
Foto: Universal PicturesManchmal entscheiden nur ein paar dünne Blechwände, ein paar Schrauben und Stahlstreben zwischen Leben und Tod. So wie in der Anfangssequenz von "Unbroken", vom soeben für den Oscar nominierten Kameramann Roger Deakins mit magenumdrehender Verve eingefangen.
Zweiter Weltkrieg, an Bord eines US-Kampfbombers über dem Pazifik: Die Kugeln aus den Bordkanonen der japanischen Abfangjäger peitschen durch die Wände des B-24-Bombers, als wären diese aus Papier. Die Besatzung, unter ihnen auch der junge Kanonier Louis Zamperini, hechtet durch das enge Innere des Flugzeugs auf der Suche nach Deckung, während durch die offenen Schützenluken ein tiefblauer Abgrund gähnt. Die schweren Flugmaschinen bieten in diesen virtuos gefilmten Szenen ungefähr so viel Schutz wie ein Planwagen beim Indianer-Angriff im Wilden Westen.
Ein eindrucksvoller Auftakt für die zweite Regie-Arbeit von Schauspielerin und Über-Promi Angelina Jolie. Nach ihrem Bosniendrama "In the Land of Blood and Honey" (2011) hat sie sich erneut dem Thema extremer Kriegserfahrungen gewidmet. Doch leider geht es mit "Unbroken", der verfilmten Biografie Zamperinis, nach dem Luftgefecht steil abwärts.
Jolies Film basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Laura Hillenbrand und erzählt die Geschichte des Olympia-Läufers und Kriegsveteranen, der im vergangenen Jahr, kurz vor Fertigstellung des Films, im Alter von 97 Jahren starb. In Los Angeles waren Jolie und Zamperini Nachbarn, sodass die Regisseurin mitsamt Ehemann Brad Pitt und Obstkorb auf ein Schwätzchen vorbeikommen konnte. Glaubt man Zamperinis Tochter, die mit der "New York Times" über die Begegnung sprach, entwickelte sich zwischen Jolie und dem alten Mann in kurzer Zeit eine enge, väterliche Beziehung.
Zamperinis Biografie mag fast zu reichhaltig für zwei Stunden Kino wirken: Als Sohn italienischer Einwanderer wuchs er während der Depressionszeit im kalifornischen Torrance auf und drohte, ein Dieb und Nichtsnutz zu werden. Doch sein älterer Bruder brachte ihn dazu, sein sportliches Talent auszuleben, der kleine Louis war nämlich ein begabter Langstreckenläufer.
Zamperini trifft auf Hitler - aber nicht im Film
So begabt, dass er 1936 sogar zu den Olympischen Spielen nach Berlin reisen durfte, wo er in einem spektakulären Rennen einen sagenhaften achten Platz errang. Sogar Hitler durfte er daraufhin die Hand schütteln - ein Forrest-Gump-Moment, den Jolie jedoch nicht zeigt. Stattdessen inszeniert sie den Lauf im Olympiastadion so rasant und beherzt als heroischen Akt, dass man am Ende der Sequenz ganz irritiert ist, wenn Zamperini, mit überzeugender Gutherzigkeit von Brit-Newcomer Jack O'Connell verkörpert, keine Medaille verliehen bekommt.
Dann kommt der Krieg und Zamperinis Absturz mit dem Bomber über dem Pazifik. 47 Tage driftet er zusammen mit zwei Kameraden auf einem Schlauchboot über das Meer, und genauso lange fühlt es sich im Film auch an. Nach der Gefangennahme durch die Japaner wird er in verschiedene Camps und Arbeitslager verschleppt, wird gefoltert, misshandelt und gedemütigt. Besonders der zutiefst neurotische Lagerkommandant Watanabe, gespielt vom japanischen Popstar Miyavi, hat es auf ihn abgesehen. Einmal lässt er alle US-Gefangenen aufmarschieren, mehr als 200 sind es; der Reihe nach muss jeder Zamperini mit der Faust ins Gesicht schlagen.
Jolie nimmt sich viel Zeit für die zahlreichen Torturen am Himmel, auf See und im Lager. Doch den aus Pazifik-Kriegsdramen von David Lean bis Clint Eastwood hinreichend bekannten Motiven fügt sie nicht viel hinzu, außer dass sie Zamperini in einer besonders grotesken, finalen Folterszene Watanabes, die mit dem Heben eines massiven Holzbalkens zu tun hat, in märtyrerhafter Jesus-Pose zeigt. Allein über derartig reaktionären Heldenkitsch - moralisch ungebrochener Amerikaner triumphiert über dämonischen Asiaten - könnte man sich aufregen. Noch schlimmer aber ist, dass Jolie dieses Heiligenbild nicht sinnhaft mit Zamperinis späterer Karriere als prominentem Mitglied der fundamentalchristlichen Erweckungsbewegung Billy Grahams verknüpft. Ihr Film endet mit dem Kriegsende und der Befreiung der US-Gefangenen aus einem der Lager.
Nur kurz angedeutet wird eine Epiphanie, die Zamperini offenbar halb verdurstet auf hoher See hatte: Sollte er überleben, gelobte er, würde er den Rest seines Lebens Gott widmen. Seine selbst verordnete Frömmigkeit führte dazu, dass Zamperini Jahre nach Kriegsende und einer langwierigen posttraumatischen Belastungsstörung seine ehemaligen Folterer in Japan aufsuchte, um ihnen zu verzeihen.
Diese Erlösungsgeschichte, diesen Sieg der Menschlichkeit über Bitternis, Rachsucht und die Greuel des Krieges - letztlich muss man sagen: diese Wahnsinns-Story! - degradiert Jolie in ihrer bildmächtigen, aber inhaltlich kraftlosen und bleiernen Hagiografie buchstäblich zur Fußnote. Gleich vier namhafte Autoren, die Filmemacher Joel und Ethan Coen sowie die Skript-Veteranen William Nicholson ("Gladiator") und Richard LaGravenese ("König der Fischer") rangen zusammen mit Jolie darum, einen in sich schlüssigen, berührenden Film zu erschaffen. Gelungen ist es dieser seltenen Ballung von Talent, Kompetenz und Star-Power gegen jede Wahrscheinlichkeit nicht.
USA 2014
Regie: Angelina Jolie
Buch: Ethan Coen, Joel Coen, Richard LaGravenese, William Nicholson
Darsteller: Jack O'Connell, Domhnall Gleeson, Miyavi, Finn Wittrock, Garrett Hedlund, Jai Courtney
Produktion: 3 Arts Entertainment, Jolie Pas, Legendary Pictures
Verleih: Universal
Länge: 137 Minuten
Start: 15. Januar 2015
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Szene aus "Unbroken" (mit Finn Wittrock, Domhnall Gleeson und Jack O'Connell als Louis Zamperini, v.l.): Absturz über dem Pazifik
Ausnahme-Talent: Der junge Louis Zamperini (C.J. Valleroy, l.) entdeckt seine Begabung als Langstreckenläufer und wird zum Spitzenathleten seiner Highschool-Mannschaft im kalifornischen Torrance.
Olympia 1936 in Berlin: Newcomer Zamperini rollt das Läuferfeld so spektakulär von hinten auf, dass er sogar Hitler die Hand schütteln darf. Der Film spart dies allerdings aus.
Havariert im Ozean: Nach dem Abschuss ihres Kampfbombers treiben die Kameraden Mac, Phil und Louis 47 Tage lang auf See und müssen sich gegen Hunger, Durst, Hitze und Haie behaupten.
Fragwürdige Rettung: Ein japanisches Kriegsschiff birgt die Soldaten aus der Seenot. In Kriegsgefangenschaft wartet auf die Männer die nächste Tortur.
Newcomer Jack O'Connell überzeugt als Hauptdarsteller.
Dämonischer Lagerkommandant: Der japanische Popstar Miyavi spielt den neurotischen, irritierend androgynen Sergeant Watanabe, der es besonders auf den amerikanischen Athleten Zamperini abgesehen hat.
Hommage an David Leans "Die Brücke am Kwai" und andere Pazifikkrieg-Epen: Immer wieder lässt Regisseurin Jolie die Kamera auf Distanz zum Geschehen gehen. Dem emotionalen Innenleben der Figuren bleibt man daher oft fern.
Olympia-Läufer, Kriegsveteran, religiöser Prediger, großer Versöhner: Das wundersame Leben des echten Louis Zamperini scheint wie geschaffen für eine epische Verfilmung.
Regisseurin Angelina Jolie am Set von "Unbroken": Nach ihrem Debütfilm über den Bosnienkrieg widmete sie sich erneut einer Geschichte über menschliche Extremerfahrungen.
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