Agenten-Thriller "Verräter wie wir" Vom Glamour des Geheimen

Agenten-Thriller "Verräter wie wir": Vom Glamour des Geheimen
Foto: Studiocanal
Agenten-Thriller "Verräter wie wir": Vom Glamour des Geheimen
Foto: Studiocanal"Das öde Land", The Waste Land, heißt ein Stück anspruchvollster Arthouse-Lyrik, das der Schriftsteller T. S. Eliot über seine Befindlichkeiten in London kurz nach dem Ersten Weltkrieg verfasste. "Das Schweigen und das Rauschen der realen Großstadt" sind in den Versen zu hören, sagt der Dichter Durs Grünbein. Und er weiß zu berichten, dass Studenten sie nachts aus ihren College-Fenstern mit Megafonen über die Dächer von Oxford schrien. Demnächst kann das überall passieren! Denn in der John-le-Carré-Verfilmung "Verräter wie wir" trägt Ewan McGregor als junger, smarter Oxford-Dozent die heutzutage wohl doch eher selten geposteten Zeilen Eliots vor. Und natürlich hängen Ohren und Augen aller Zuhörer an seinen Lippen.
John le Carré ist nicht unbedingt poetisch zumute. Wie der dichtende Erzkommunist Bertolt Brecht ist auch der britische Thriller-Autor der Ansicht, dass die Gründung einer Bank das schlimmere Verbrechen ist als ein Einbruch in ihr. Jedenfalls dann, wenn sie zum Zweck der Weißwaschung von Schwarzgeld der russischen Mafia in der Londoner City eröffnet wird - und korrupte englische Politiker maßgeblich davon profitieren.
"Wory w sakone" - Diebe im Gesetz - nennen sich jene Vertreter der organisierten Kriminalität, die ihre Seilschaften in russischen Gefängnissen knüpfen. Entsprechende Finstermänner gibt es auch in Westminster; nur dass sie es vorziehen, bei Spielen der Premier League, bei Vernissagen in Paris oder auf den Jachten russischer Mafia-Millionäre zu networken.
Es sind gewissermaßen "Diebe im Dienst", wie der Parlamentsabgeordnete Aubrey Longrigg (Jeremy Northam), ehemals Leiter des Auslandsgeheimdienstes MI6, inzwischen Mitglied der britischen Bankenaufsicht. Ihn der Geldwäsche zu überführen, ist das große berufliche Ziel des MI6-Agenten Hector Meredith (Damian Lewis). In seinem einstigen Vorgesetzten sieht er den Vertreter einer moralischen Fäulnis, die die City of London insgesamt befällt.
Perry als sozialbewusster Beatnik
Und das bringt nun Ewan McGregor ins Spiel. Während eines Urlaubs in Marrakesch lernen der Anglistik-Dozent Perry Makepiece und seine Ehefrau Gail (Naomie Harris) den russischen Geschäftsmann Dima (Stellan Skarsgård) kennen. Der joviale Kraftkerl offenbart sich den beiden als Chef-Geldwäscher der "Wory" - und er ist auf der Flucht. Nach der Ermordung eines eng befreundeten Mafioso durch einen "Prinz" genannten Wory-Oligarchen muss auch Dima um sein Leben fürchten. Schutz sucht er beim MI6. Sobald man ihm und seiner Familie Asyl in England gewährt, will er Namen und Konten der Politiker nennen, die auf der Pay-Roll des "Prinzen" stehen und dessen Pläne zur Gründung einer Bank in London unterstützen. Den Kontakt zum MI6 soll Perry herstellen.
Stärker als an der für den Berufsstand im Kino sonst üblichen Action ist Regisseurin Susanna White ("Eine zauberhafte Nanny") an den "Soft Skills" der Geheimdiensttätigkeit interessiert. Dementsprechend inszeniert sie Perry als sozialbewussten Beatnik: Für den bedrohten Dima setzt er sich ebenso selbstlos ein, wie er als Kavalier und Ehrenmann bedrängten Damen beispringt, ganz ohne Furcht vor einer blutigen Nase.
Doch liegt es nicht nur an der Besetzung mit dem Obi-Wan-Kenobi-Darsteller Ewan McGregor, dass "Verräter wie wir" - anders als zuletzt die düsteren le-Carré-Adaptionen "Dame, König, As, Spion" und "A Most Wanted Man" - der hellen Seite der Macht zugewandt ist. Wie das Fairplay beim Tennismatch, das die spontane Freundschaft zwischen dem schluffigen Philologen und dem russischen Zahlengenie begründet, stehen auch Hectors klandestine Operationen, mit denen er Dima und dessen Sippe ins Land schleusen will, für einen geradezu altmodischen Ehrenkodex.
Dem entspricht das klassische Format des spannenden, stringent erzählten Thrillers. Abweichend von der Romanvorlage beginnt er in Marrakesch, dort, wo schon "Der Mann, der zuviel wusste" (1956), Hitchcocks Krimi über ein Paar, das in eine Geheimdienstaffäre gerät, seinen Anfang nahm. Nicht weniger altvertraut wirkt Hectors kurzer, beiger Trenchcoat - auch der entspricht einem Original-Schnittmuster aus den Sixties.
Ähnlich wie Susanne Bier, die in ihrem le-Carré-Mehrteiler "The Night Manager" auf den Glamour des Geheimen setzte, stellt Susanna White mit den rasch wechselnden Schauplätzen ihres Films, die von der hell erleuchteten Arsenal-London-Arena bis zu dunkel umflorten Alpengipfeln reichen, attraktive Schauwerte aus. In den Cinemascope-Panoramen des Top-Kameramanns Anthony Dod Mantle ("Slumdog Millionär") kommen sie bestens zur Geltung.
Und mit ihnen endet der Film dann doch noch "poetisch". Das Schlussbild zeigt Ewan McGregor, wie er sich erhobenen Haupts dem Strom der City-Angestellten in ihren uniformen Business-Suits tapfer entgegenstellt. Das Copyright dafür liegt bei T. S. Eliot und seiner Vision einer "Höllenwanderung" über die London Bridge: "Das dacht ich nicht, dass derart viele schon verblichen wären", heißt es in "Das öde Land". "Gelegentliche kleine Seufzer wurden ausgehaucht,/ Und jedermann sah starr auf seine Füße." - In der korrupten City of London ist Perry Makepiece, Gentleman, der letzte authentische Brite.
Im Video: Der Trailer zu "Verräter wie wir"
Originaltitel: Our Kind of Traitor
Großbritannien 2015
Regie: Susanna White
Drehbuch: Hossein Amini
Darsteller: Ewan McGregor, Stellan Skarsgård, Damian Lewis, Naomie Harris , Jeremy Northam, Mark Gatiss, Mark Stanley, Alicia von Rittberg
Produktion: StudioCanal, Film4, Anton Capital Entertainment (ACE)
Verleih: StudioCanal Deutschland
Länge: 108 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Start: 7. Juli 2016
Offizielle Website zum Film: "Verräter wie wir"SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
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Wie es seinen Angang nimmt: Eigentlich wollen der Anglistik-Dozent Perry Makepiece (Ewan McGregor) und seine Ehefrau Gail (Naomie Harris) nur Urlaub in Marrakesch machen.
Dort lernen sie jedoch den düsteren Geschäftsmann Dima (Stellan Skarsgård) kennen. Er hat für die russische Mafia Geld gewaschen - jetzt ist er auf der Flucht.
Mittelsmann wider Willen: Dima möchte Schutz beim britischen Geheimdienst MI6 finden. Perry soll für ihn den Kontakt herstellen.
Als Gegenleistung will er dem Geheimdienst verraten, welche Politiker auf der Pay-Roll der russischen Mafia stehen.
So wird Dima interessant für den MI6 Mann Hector Meredith (Damian Lewis). Sein berufliches Ziel ist es, seinen Ex-Chef, einen inzwischen Mitglied der britischen Bankenaufsicht, der Geldwäsche zu überführen.
Sozialbewusster Beatnik: Perry spielt mit. Er hat eine starke soziale Ader. Für den bedrohten Dima setzt er sich ebenso selbstlos ein, wie er als Kavalier und Ehrenmann bedrängten Damen beispringt, ganz ohne Furcht vor einer blutigen Nase.
Schleuser im Auftrag ihrer Majestät. Um sein Ziel zu erreichen, dafür muss Hector den Geschäftsmann Dima aber erst einmal ins Land schleusen - was leichter gesagt als getan ist.
Aber der "Prinz", so der Name des russischen Großkriminellen, ist Dima auf der Spur.
Stärker als an der im Kino sonst üblichen Action ist Regisseurin Susanna White an den "Soft Skills" der Geheimdiensttätigkeit interessiert. Entsprechend inszeniert sie auch ihre Figuren.
So liegt es auch an Obi-Wan-Kenobi-Darsteller Ewan McGregor, dass "Verräter wie wir" - anders als zuletzt die düsteren le-Carré-Adaptionen "Dame, König, As, Spion" und "A Most Wanted Man" - eher dem Guten im Menschen zugewandt ist.
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