"Wege zum Ruhm" Späte Wiedergutmachung

Wie sich die Zeiten ändern: Während 1958 französische Soldaten die Berliner Premiere von "Wege zum Ruhm" wegen angeblicher "Verunglimpfung einer Besatzungsmacht" massiv störten, erntete Stanley Kubricks Antikriegsfilm auf der diesjährigen Berlinale stürmischen Beifall.
Von Marc Hairapetian

Der laut weltweiter Kritikermeinung "aufrichtigste Antikriegsfilm der Kinogeschichte" war jahrzehntelang ein Politikum. Aufführungen waren in der Schweiz bis 1970 und in Frankreich gar bis 1982 verboten, denn die Anprangerung militärischer Auswüchse stieß bei den traditionell nationalstolzen Franzosen und einigen ihrer Bündnispartner auf Unbehagen. All zu sehr erkannten sie sich im filmischen Geschehen wieder.

Die im Ersten Weltkrieg spielende Geschichte von "Wege zum Ruhm" (Paths Of Glory") ist authentisch, wenn auch dramatisiert: General Broulard (Adolphe Menjou) gibt General Mireau (George Macready) den Befehl, die von den Deutschen befestigte "Höhe 19" zu stürmen. Ein absolut aussichtsloses Unternehmen. Als Mireau die Möglichkeit einer Beförderung in Aussicht stellt, erklärt sich der Abschnittsbefehlshaber schließlich bereit, den widersinnigen Angriff zu leiten. An einigen Abschnitten der Front ist das deutsche Artilleriefeuer auf die französischen Stellungen so stark, dass die Angriffstruppen nicht einmal die Gräben verlassen können. Rasend vor Zorn verlangt Mireau, der die Aktion aus gesicherter Distanz durch ein Scherenfernrohr beobachtet, die eigenen Stellungen zu beschießen. Die französischen Artilleristen weigern sich allerdings, den Befehl auszuführen.

Nach dem verlustreichen Fehlschlag will das Hauptquartier Schuldige sehen. Um der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass der von Beginn an undurchführbare Plan lediglich an der Kampfesunlust der eigenen Truppe scheiterte, ordnet Mireau ein Kriegsgerichtsverfahren an. Erst sollen 100 Mann aus dem Regiment von Colonel Dax (Kirk Douglas) wegen "Feigheit vor dem Feind" füsiliert werden. Dann mildert Broulard den Befehl, indem er sich auf drei willkürlich ausgewählte Landser beschränkt. Dax, vor dem Krieg ein bekannter Strafverteidiger, versucht vergeblich, seine Soldaten zu retten und beabsichtigt, in der Presse von den Vorfällen zu berichten. Das mutige Eintreten des Offiziers bleibt in der Kriegsgerichtsverhandlung jedoch unberücksichtigt. Man braucht für die Öffentlichkeit Erfolge und schickt den lästigen Mitwisser Dax zurück an die Front.

900.000 Dollar trotz aufwendiger Sequenzen

"Wege zum Ruhm", 1957 in Pucheim bei München gedreht, ist sowohl inhaltlich als auch formal brillant gemacht: Mit sechs gleichzeitig eingesetzten Kameras photographierte Kubrick bei den Außenaufnahmen am Starnberger See ein faszinierendes Schlachtenpanorama. Auf einem Gelände, das dem öden Trichterfeld an der Somme nachgebildet war, inszenierte er mit einem Komparsenheer bayerischer Polizisten das blutige Massaker, in dem der Angriff erstirbt. Trotz dieser aufwendigen Sequenzen kostete der Film lediglich 900.000 Dollar. Zum Drehstab gehörten zahlreiche deutsche Mitarbeiter, darunter als "Unit Manager" der spätere "Derrick"-Produzent Helmut Ringelmann.

1958: Stadtkommandant Gezé schickt seine Einladung zurück

Dass das Militär des Landes, das sich seit der Revolution von 1789 "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" aufs Banner schrieb, nicht viel aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte, wurde im Jahr 1958 deutlich: Der damalige franzöische Stadtkommandant von Berlin, General Gèze, verbot die Aufführung von "Wege zum Ruhm" mit der Begründung, der Film diskriminiere die eigene Truppenführung. Französische Soldaten randalierten bei der Premiere im britischen Sektor. Sie warfen Stinkbomben, entzündeten Knallfrösche und bliesen auf Trompeten. Gèze schickte vier Tage später sogar eine Ehrenkarte für die Eröffnungsveranstaltung der Berliner Filmfestspiele zurück.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass seine Aversion gegen den Film rein persönlicher Natur war: Während des Ersten Weltkriegs diente er genau in jenem Regiment, an dem in "Wege zum Ruhm" vehement Kritik geübt wird... Die Präsentation von Kubricks Meisterwerk außer Konkurrenz im Wettbewerb ist somit auch eine späte Wiedergutmachung der Berlinale.

Ein Ständchen von Kirk Douglas

Bei der Verleihung des Goldenen Bären präsentierte sich der mittlerweile 84-jährige Kirk Douglas von seiner charmantesten Seite. Seit seinem schweren Schlaganfall fällt ihm das Sprechen nicht mehr so leicht wie früher, dennoch lässt er es sich nicht nehmen, die Danksagung für Veranstalter und Publikum im (fast) perfekten Deutsch zu halten. Schließlich ist seine Gattin Anne gebürtige Hannoveranerin. "Das berühmteste Grübchen Hollywoods" gesteht seine Vorliebe für "Berliner Weiße" und singt der sichtlich gerührten Admirantenschar am Ende gar ein selbstverfasstes Ständchen. "Ich habe immer versucht bei harten Charakteren, ihre weichen Seiten zu zeigen und umgekehrt bei schwachen Figuren eine gewisse Stärke ins Spiel zu bringen", sagt der Mann, der (sich) niemals aufgibt, im Anschluss an die Überreichung des Goldenen Ehren-Bären.

Stanley Kubrick: Romanze am Set

Auf nur wenige seiner insgesamt über 80 Filme sei er stolz. Dazu gehören neben "Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft" und "Einsam sind die Tapferen" natürlich auch die erste Zusammenarbeit mit Stanley Kubrick, die 1960 mit "Spartacus", dem intelligentesten aller antiken Filmepen, fortgeführt wurde. Douglas, der in der Rolle des unangepaßten und gerechtigkeitsliebenden Colonel Dax wohl die eindringlichste Leistung seiner ohnehin vielseitigen Schauspielerkarriere ablieferte, war von Kubricks Film noir "The Killing" (1955) dermaßen beeindruckt, dass er ihn unbedingt für die Regie seiner eigenen Produktionsfirma Bryna wollte. Trotz der ernsten Thematik verliefen die Dreharbeiten zu "Wege zum Ruhm" äußerst harmonisch. Der damals erst 29-jährige Stanley Kubrick lernte am Set seine spätere Frau Christiane (Künstlername "Susanne Christian") kennen und lieben. In der einzigen weiblichen Rolle des Films wird sie als deutsche Sängerin in einem Wirtshaus-Saal erst gnadenlos ausgepfiffen, um dann die französischen Soldaten mit dem "Lied vom treuen Husar" kollektiv zu Tränen zu rühren. Sicherlich einer der bewegendsten Momente der Filmgeschichte. Gestern wie heute.

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