Woody Allens "Magic in the Moonlight" Klugscheißer trifft Kulleraugen

Woody Allens "Magic in the Moonlight": Klugscheißer trifft Kulleraugen
Foto: Warner Bros.Wenn alte Männer Friedrich Nietzsche zitieren, ist Vorsicht geboten. Die Alten wollen ja oft nur ihren Hass auf sich und die Welt philosophisch veredeln. Es ist die Gerontokratie in ihrer schlimmsten Form: Mit unnützem Wissen und aufgestauter Lebensunlust werden jüngere, offenere, glücklichere Menschen tyrannisiert.
So wie es der sarkastische Zauberer Stanley (Colin Firth) im neuen Woody-Allen-Film "Magic in the Moonlight" tut. Sein Opfer: die etwa 30 Jahre jüngere Sophie (Emma Stone), die behauptet, mit Menschen im Jenseits kommunizieren zu können und die auch sonst einen recht unwissenschaftlichen Blick auf die Welt hat. An der französischen Côte d'Azur der Zwanzigerjahre soll der weltmüde britische Magier die kulleräugige amerikanische Kollegin der Trickserei überführen.
Stanley zitiert Nietzsche, Sophie rollt mit den Kulleraugen. Dann kommt die Liebe, eine Zauberei der anderen Art also, der alte Griesgram wird auf einmal ganz zahm und zutraulich.

Neuer Film von Woody Allen: Fauler Zauber
Wir würden ja gern an diese Wendung glauben. Aber so ungelenk und abgezockt, wie Woody Allen die Instant-Romanze vor Zwanzigerjahre-Deko in Szene setzt, bleibt uns nichts anderes übrig als anzunehmen, dass er selbst nicht an sie glaubt. "Magic in the Moonlight" ist das Spätwerk eines müden Tricksers, eines zynischen Kulissenschiebers, eines, jawohl, ausgemachten Gerontokraten.
Gefangen im Charleston-Schattenreich
Schon in Ordnung, dass Allen, inzwischen 79 Jahre alt, in eine andere, eine vergangene Zeit flüchtet. Einige seiner schönsten Filme, von "The Purple Rose of Cairo" bis "Bullets over Broadway", handeln von lustvoll auskostümierten Gegenwartsverweigerungen. Aber wie der Regisseur für "Magic in the Moonlight" im Art-déco-Fundus und der dazugehörigen Musik gewühlt hat, um aus der offensichtlich als Zumutung empfundenen Gegenwart wegzukommen, kann nur verzweifelt genannt werden.
In einer Szene am Anfang, die im Berliner Nachtleben spielt, sieht man Ute Lemper als Marlene-Lookalike, wie sie mit rollendem R Brecht/Weill-Lieder runterleiert. Wird irgendwo an der Côte d'Azur mondän gefeiert, erklingt natürlich sofort James P. Johnsons Knieschüttel-Kamelle "The Charleston". Und dann singt da noch die ganze Zeit ein reicher Dandy (Hamish Linklater) im Tennis-Pullunder und mit Ukulele affige Serenaden, um seine Angebete zu becircen. Zauberhaft? Lachhaft.
Der ultimative Kick in dieser Liebelei aus dem Charleston-Schattenreich soll sich dann einstellen, als der alte Zauberer und seine junge Kollegin vor einem Regenguss in ein Planetarium fliehen: Als es wieder trocken ist, öffnet sich die Decke der Sternenwarte und der französische Nachthimmel zeigt seine Sternenpracht. Ein romantischer Überrumpelungstrick, den wohl selbst die beiden Hauptdarsteller als zu billig empfanden. Colin Firth, 54, und Emma Stone, 25, spielen die beiden Trickser jedenfalls züchtig wie Vater und Tochter, da knistert nichts. Was ja auch dem realen Alter der beiden angemessen erscheint.
Wobei wir hier nichts gegen die großartigen Nymphe-trifft-Nihilisten-Momente in der Filmografie Woody Allens sagen wollen. Wann immer der Meister selbst die hypochondrische, frühvergreiste, bildungsgarstige Arschgeige gespielt hat, lief er zu tragikomischer Grandezza auf. Etwa als sein Filmcharakter in "Manhattan" 1979 der damals 17-jährigen Mariel Hemingway wimmernd erklärte, weshalb sie ihn nicht verlassen dürfe. Oder als Allen in der Rolle eines Oldtime-Jazz-Opas, der ja auch selber ist, in "Hannah und ihre Schwestern" 1986 mit seiner Flamme das Konzert einer CBGB's-Punkband anschauen muss. Oder als er in "Geliebte Aphrodite" 1995 als in die Jahre gekommener Autor von einer Prostituierten erfährt, wie das Leben funktioniert. Da gab es neben der bitteren Wahrheit so manchen zauberhaften Moment.
"Magic in the Moonlight" aber ist das Verzweiflungswerk eines Mannes, der offensichtlich nicht mehr an die Magie des Kinos glaubt. Und an die der Liebe schon mal gar nicht.