Zum Tode Ilse Werners Ein Leben mit Pfiff
"Ich bin eben eine Spindmieze gewesen", sagte Ilse Werner über sich selbst. Aber sie war mehr als das. Mit Filmen wie "Große Freiheit Nr. 7" und "Münchhausen" gehörte die Schauspielerin zu den großen Stars der Ufa in Potsdam-Babelsberg, wo sie bis 1945 insgesamt 17 Filme drehte. Mit Titeln wie "Sing ein Lied, wenn Du mal traurig bist" und "Du und ich im Mondschein" wurde sie zur Zeit des Zweiten Weltkriegs auch als Sängerin bekannt.
Am 11. Juli 1921 wurde Ilse Werner als Ilse Charlotte Still in Batavia, dem heutigen Jakarta, geboren. Ihre Eltern, ein niederländischer Exportkaufmann und seine deutsche Frau Lilli verlassen Indonesien zehn Jahre später und siedeln nach Frankfurt am Main über. Fünf Jahre später zieht die Familie nach Wien, wo die 16-jährige Ilse Werner am Max-Reinhardt-Seminar ihre Schauspielausbildung beginnt. Auf Rat ihres Schauspiellehrers nimmt sie als Künstlernamen den Mädchennamen ihrer Mutter an: aus Ilse Charlotte Still wird Ilse Werner.
1937 hat sie ihr Schauspieldebüt am Wiener Josephstadt-Theater mit dem Stück "Glück". Ein Jahr später unterzeichnet ihr Vater, Otto Still, den Vertrag seiner Tochter mit der Ufa. Als Niederländerin erhält Ilse Werner für die Dreharbeiten eine Sondergenehmigung der Reichsfilmkammer - sie zieht nach Berlin. An der Seite von Theo Lingen und Hans Moser spielt sie im selben Jahr im Film "Die unruhigen Mädchen". In leichten, unterhaltsamen Filmen verkörpert sie in den folgenden Jahren meist heiter-unbeschwerte junge Frauen. 1939 spielt sie die Hauptrolle in der Komödie "Bel Ami", einem der wenigen deutschen Filme, die während des NS-Regimes gedreht wurden, der auch international Anerkennung findet. Ein Jahr später spielt und singt sie in "Das Wunschkonzert", dem bis dahin größten deutschen Kinoerfolg.
Werner avanciert zu einer der beliebtesten Schauspielerinnen und Sängerinnen der Zeit. Sie gilt als Traumfrau und genießt Vorbildcharakter. Die NS-Propaganda nutzt ihre Popularität zur Truppenbetreuung für die Wehrmacht und für zahlreiche Unterhaltungsfilme. 1942 spielt sie an der Seite von Hans Albers die Hauptrolle im Film "Münchhausen", einem der erfolgreichsten Filme der NS-Zeit. Ein Jahr später folgt "Große Freiheit Nr. 7", in der Ilse Werner erstmals in einer Charakterrolle zu sehen ist.
Der Film sorgt in Deutschland für Aufsehen. Der Reichspropagandaminister und der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine sind entsetzt. Ein Porträt der deutschen Seefahrt sollte es werden. Aber der Film zeigt einen alternden Säufer mit gebrochenem Herzen und viele leichte Mädchen auf der Reeperbahn. Regisseur Helmut Käutner hatte anstatt einer Marine-Ballade ein melancholisches Drama inszeniert. "Die deutsche Frau ist ein Musterexemplar", protestiert Joseph Goebbels. Als "wehrkraftzersetzend" verbietet die NS-Prüfstelle den Film am 12. Dezember 1944. Nach Ende des Krieges gewinnt der Film im Sommer 1945 den Schwedischen Kritikerpreis, die Kontrollstelle der Aliierten gibt ihn frei. Als der Film im September 1945 in West-Berlin Uraufführung feiert, gibt es allerdings erneut Proteste - diesmal aus moralischen Gründen.
Ilse Werner ist - wie viele Ufa-Stars - während der NS-Zeit mehrfach Gast im "Waldhof am Bogensee", einem von der Ufa finanzierten "Kulturgemeinschaftshaus", das auch "das Liebesnest des Dr. Goebbels" genannt wird. Hier trifft sich der Reichspropagandaminister mit den Größen des deutschen Films, mit Schauspielern und Künstlern.
Als der Krieg endet, ist Ilse Werner 24 Jahre alt. Die Rolle, die sie in der nationalsozialistischen Propaganda gespielt hat, bringt ihr nach dem Krieg ein Berufsverbot ein. Ausdrücklich nicht aus "politischen Gründen", sondern weil sie ein Star der Ufa gewesen sei. Sie muss sich, wie viele andere Künstler, dem "Clearing-Verfahren" der Amerikaner unterziehen. Nur wer das scharfe Verhör übersteht, kann auf eine erneute Anstellung hoffen. Ilse Werner besteht es zunächst nicht.
In den folgenden Jahren gelingt ihr nur ein mäßiges Comeback. Es scheint, als wäre mit dem Krieg auch ihre Karriere beendet. Sie spielt häufig die Rolle der "Naiven im Krieg" und kann nicht an ihre Erfolge anknüpfen.
1948 heiratet die Schauspielerin den amerikanischen Journalisten John de Forest und lebt bis zur Scheidung 1953 mit ihm in Los Angeles. In Deutschland dreht sie allerdings weiterhin Filme: "Mutter sein dagegen sehr" (1951), "Der Vogelhändler" (1952), "Ännchen von Tharau" (1954). 1954 heiratet sie den Orchesterchef des Bayerischen Rundfunks, Josef Niessen. Sie zieht sich zunächst aus dem Filmgeschäft zurück.
Mit dem Schlager "Baciare" feiert sie 1960 ihr Comeback und landet einen Welterfolg. Es folgen zahlreiche Auftritte in Fernsehserien. Sieben Jahre später erhält sie dank ihrer Pfeifkunst eine eigene Fernsehshow: "Eine Frau mit Pfiff". 1981 veröffentlicht Werner ihre Autobiographie "So wird's nie wieder sein. Ein Leben mit Pfiff" und erhält das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Fünf Jahre später wird ihr das "Filmband in Gold" für besondere Verdienste um den deutschen Film verliehen.
In den achtziger Jahren spielt sie unter anderem die "Tante Ella" in der ZDF Serie "Rivalen der Rennbahn".
Mit dem heutigen Film konnte die Schauspielerin allerdings nur wenig anfangen: "Ich wäre gar nicht der Typ für die heutige Zeit. Das müssen offenbar langbeinige, brustwippende, blonde, zitterbauchnabelige Frauen sein - das war ich nie. Es gibt nur noch dieses Geschrei und wippende Brüste und Bauchnabel. Ich hab nichts gegen Schreien, Brüste und Bauchnabel. Aber nur?", äußerte sie sich vor einem Jahr gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung".