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KÖLN Kirmes am Seil

aus DER SPIEGEL 37/1966

Was den Kölner Witzfiguren Tünnes

und Schäl mit abertausend Streichen nicht gelang, ist dem Kölner Stadtrat nach Auffassung der Fachschaft Architektur der Technischen Hochschule Aachen sicher: das »Gelächter« der »ganzen Welt«.

Denn für einen rechten »Kirmesfirlefanz« halten die Aachener Architekten die Streckenführung der Kölner Rheinseilbahn, die vorletzten Freitag nach mehr als dreijähriger Betriebspause wieder eröffnet wurde. 170 Meter Gondelbahn-Route führen diagonal über die erst jüngst vollendete und mehrfach preisgekrönte Kölner Zoobrücke.

Von dem Gondelschmuck wußte weder Dipl.-Ing. Gerd Lohmer, als er die Rheinbrücke vor sieben Jahren entwarf, noch das vom Land Nordrhein-Westfalen einberufene Preisgericht, als es Lohmer 1961 für den Entwurf den Großen Kunstpreis des Landes zuerkannte.

Der für seine Konstruktion mittlerweile auch mit einem Ehrendoktorhut der TH Aachen ausgezeichnete Architekt war es denn auch, der als erster »schärfstens« protestierte, als die Gondelpläne der Kölner Anfang 1964 ruchbar geworden waren. Doch das half Lohmer ebensowenig wie sein demonstrativer Auszug aus einer Ratssitzung.

Nun sekundierte ihm der Bund Deutscher Architekten (BDA). Neben ästhetischen Bedenken ("Unsinnigkeit") erhob der BDA auch profane Einwände wie:

- der Gondel-Verkehr über der Brükkenfahrbahn lenke die Kraftfahrer ab und provoziere die Gefahr von Auffahrunfällen »erheblich«;

- die Gondelbahn, die 1957 eine Attraktion der Kölner Bundesgartenschau gewesen war, erfülle kein echtes Verkehrsbedürfnis mehr, seit mit der Zoobrücke eine Straßenverbindung zwischen dem Rheinpark auf dem rechten und dem Zoo auf dem linken Rheinufer geschaffen sei. »Noch ist es nicht zu spät«, beschwor der BDA den damaligen Kölner Oberstadtdirektor Dr. Max Adenauer.

Doch es war schon zu spät. Spott (FAZ: »Ein Schildbürgerstreich"l) perlte an den Lokalparlamentariern ab. Oberbürgermeister Theo Burauen belehrte die »der Staatsbürgerkunde noch nicht mächtigen Kritiker« aus der Architekten-Branche, daß die Ratsversammlung von 67 Bürgerschaftsvertretern »mit 90 prozentiger Mehrheit« den Seilbahn -Beschluß gefaßt habe.

Daß man »in ästhetischen Dingen« die »Demokratie nicht überfordern« solle, hatte zuvor schon der renommierte Bildhauer und Kölner Bürger Gerhard Marcks verlangt. Marcks: »Da sind Mehrheitsbeschlüsse nicht am Platze.«

Dennoch werden die Kölner zumindest bis zum 31. Dezember 1960 mit der

- laut Marcks - »albern« geführten

»Spielzeug- Seilbahn« leben müssen. So lange läuft die Betriebserlaubnis für die Gondelbahn.

60 Prozent des Kapitals der Seilbahn -Gesellschaft gehören der Stadt Köln.

Kölner Zoobrücke, Gondelbahn: Firlefanz durch Parlamentsbeschluß?

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