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KOMIKER Kleine Natter

Mit 20 Jahren hat der Recklinghausener Hape Kerkeling den Sprung in die große TV-Karriere geschafft. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Eine heftige Neigung zu Harlekinaden offenbarte der Knabe erstmals mit acht Jahren.

Er brabbelte Dialekte und Fremdsprachen nach, parodierte linkisch Nachbarn und Verwandte; die Familie schmunzelte über das possierliche Kerlchen. Später, auf dem Gymnasium, war er als Pausen-Clown und Schulfest-Bajazzo beliebt, und verständige Pauker ermunterten ihn, eine humoristische Laufbahn anzustreben: »Das ist das einzig Vernünftige für dich.«

So entsagte der Schüler Hans Peter Kerkeling dem Ernst des Lebens, so kam er frühreif ins Komiker-Fach und zu einem Senkrechtstart im deutschen Fernseh-Entertainment. Er ist gerade 20 Jahre alt geworden und nennt sich nun »Hape« Kerkeling. Im ersten Kanal textet und moderiert er die neue Nonsens- und Musikshow »Känguru«; er war Gast »Bei Bio«, auf einem ARD-»Jugendabend« und krakeelte kürzlich, als tückisches Kleinkind »Hannilein«, im TV-Solo »Kerkelings Kinderstunde«.

Da spielte er, mit rotem Zottelkopf, eine aufsässige Göre, die sich an den strengen, spießigen Eltern mit grausamen Scherzen rächt. Hannilein mordet den Wellensittich, Muttis gefiederten Hausfreund, stopft tote Meerschweinchen in Briefkästen und beschimpft die nörgelnden Erwachsenen: »Eltern, die was wollen, kriegen was auf die Bollen und sind später im Altersheim verschollen.« Die Mama kreischt entsetzt, der Bengel brüllt: »Du blöde Kuh!«

Eine köstliche, kleine Natter, fanden die TV-Kritiker, »ein Scharfrichter-Talent ersten Ranges«. Kerkelings »Skizzen aus der bürgerlichen Kleinfamilie treiben allen Erziehungsberechtigten den Angstschweiß auf die Stirn«. Bei Radio Bremen protestierten tatsächlich indignierte Zuschauer gegen den sadistischen Dreikäsehoch - das sei doch »wohl das Letzte«.

Kerkeling, Sohn eines Tischlers, ist gebürtiger Recklinghausener. Mit 16 begann er gezielt mit dem Entertainer-Training, schrieb Persiflagen und schickte Tonbänder mit postpubertären Narreteien an Hörfunkanstalten; einige Nummern wurden gesendet. Dann tingelte er - die Schule gab ihm frei - mit eigenem Programm über Mini-Bühnen, Hamburgs »Logo« etwa oder das Münchner Fraunhofer-Theater. Der Durchbruch war geschafft, als Kerkeling, krasser Außenseiter, im Passauer Scharfrichterhaus einen Wettbewerb für politischen Kabarett-Nachwuchs gewann - in einem Metier, das dem Kleinkünstler eigentlich eher fremd ist.

Denn er versteht sich als Karikaturist und Komiker, der mit Absurdem jongliert, Wortwitz aus Verdrehungen drechselt. Er »vergöttert« Loriot, zu Brettl-Politikern wie Dieter Hildebrandt schaut er respektvoll auf. Er selbst aber käme sich »zu unehrlich vor«, wenn »ich politisches Kabarett machen würde und doch gezielt auf Lacher aus sein müßte«. Das einschlägige Publikum hat ihm überdies nicht sonderlich gefallen. Diese Leute hätten, reichlich einfältig, schon homerisch gelacht, wenn Kerkeling eine »meiner plumpesten Nummern« abzog - eine kraftlose Witzelei über Pershing und Nato.

In der TV-Revue »Känguru«, die für die abgesetzte »Bananas«-Reihe ins ARD-Programm gekommen ist, steht der Recklinghausener Lauser nun unter hohem Erwartungsdruck. Professionelle TV-Beobachter, in der »Süddeutschen Zeitung« beispielsweise, sehen für Kerkeling die Gefahr, frühzeitig vom Medium »ausgelutscht zu werden«. Bei der Premieren-Sendung, Ende Januar, hat er große Sprünge zwar noch nicht geschafft, aber einige komödiantische Leistungsnachweise erbracht, etwa, als er aus den Grand-Prix-Ansagen der polyglotten Fernsehfee Desiree Nosbusch eine hübsche Sprachverwirrung zusammenjuxte: »United Kingkong kein Point.«

Achtmal wird der Komiker in diesem Jahr aus dem »Känguru«-Beutel blinzeln. Dann will er wieder auf der Tingel-Bühne stehen, für Leben und Karriere hat er keine festen Pläne. Hape denkt, sonnige Jugend, vorerst »nur von einem Lacher zum anderen«.

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