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KUNST / MULTI-MEDIA Knüppel für Macher

aus DER SPIEGEL 21/1970

Bislang hatte die Eifelstadt Monschau (2500 Einwohner) nur altertümliches Fachwerk darzubieten, nun zeigt sie, wenigstens fünf Wochen lang, ein neues Gesicht;

Bis zum 21. Juni, so hat es sich Klaus Honnef, 30, Feullietonredakteur aus Aachen, ausgedacht, soll eine Multi-Media-Schau Im Freien mit dem Titel »Umwelt-Akzente« die »ganze Stadt verändern und verfremden«. Die Stadtväter gaben ihr Plazet und Geld.

Und die Städter schimpfen. Sie fluchen über den Düsseldorfer Zero-Künstler Günter Uecker, der Ihnen weiße Farbe auf die Straße pinselte; über den Berliner Maler Wolf Kahlen, der ihre Bäume blau einfärbte, um das »Volumen der Gewächse zu öffnen«, über den Gelsenkirchener Plastiker Ferdinand Spindel, der die Fassade ihres Mark' -Crfös mit rosa Schaumstoff verkleidete.

Der Paxiser »Antikünstler« Daniel Buren kleisterte gelbe Papierstreifen auf Plakatwände. Der Materialbildner Hans Jürgen Breuste aus Hannover fertigte eine »Hommage à Monschau« aus dem Schrott einer Seidenweberei und stellte sie an einen Parkplatz.

Düsseldorfs Ferdinand Kriwet ("Ich bin Kunst") schmückte Häusermauern und Fußwege mit Seh-Texten und Text-Bändern. Der Frankenthaler Erwin Wortelkamp klemmte riesige Plastikballons zwischen enge Monschauer Gassen,

Damit war der malerische Flecken an der belgischen Grenze nach Meinung Monschauer Menschen schon hinreichend »geschändet und verunziert«. Doch nicht genug; Der Hannoveraner Asmus Petersen leimte eine kritische Buchstabenplastik zur Papst-Enzyklika »Humanae vitae«. Der Braunschweiger Kunstprofessor Siegfried Neuenhausen stellt In der Hauptstraße Hemden und Hosen, Blusen und Röcke einheimischer Bürger aus, sein Schüler Joachim Gendolla zimmerte ein mannshohes Mühle-Spiel aus Brettern und billigem Tuch.

Und billig in der Herstellung, das hatte »Akzente« -Initiator Honnef seinen Außenkünstlern zur Auflage gemacht, mußten alle Objekte sein. Für jeden der 38 geladenen Beweger und Macher, Kinetiker, Plastiker und Maler waren im 20 000-Mark-Etat, von Stadt, Kreis und Land zur Verfügung gestellt, nur etwa 400 Mark vorgesehen. Keiner erhielt ein Honorar.

Dennoch waren die Künstler von diesem zumindest in Europa bislang einmaligen Open-Air-Projekt angetan. »Hier«, so empfand der Harinoveraner Georg Mika, »bietet sich endlich einmal Gelegenheit, mit der Kunst in die Gesellschaft zu gehen und die Leute direkt mit moderner Kunst zu konfrontieren. sie zu verunsichern und sie zu provozieren.«

Kein Zweifel, das ist den Freiluft-Artisten gelungen. Als Anfang Mai die ersten Künstler das Ausstellungs-Terrain Inspizierten und an ihren Objekten bastelten, erkannten Monschauer, die sich ihren »gesunden Verstand noch bewahrt« hatten: »Das sind die letzten Heuler. Man sollte sie zusammentreiben und mit Knüppeln aus der Stadt jagen.«

Und obwohl Bürgermeister und Stadtrat unablässig zu Vernunft und Toleranz mahnten, besudelten eingeborene Feinde der modernen Kunst Mikas Gully-Malereien mit Teer und zerschnitten Textfahnen' die Kriwet über den Hur-Fluß gespannt hatte. Ein »Akzente«-Gegner demonstrierte mit einer Fäkalien-Aktion gegen die verfremdete Umwelt und lagerte Stuhlgang in ein Kunst-Erzeugnis ab.

Ein Artefakt immerhin bleibt den Monschauern erspart: »Genau um Mitternacht«, hatte der amerikanische Happening-Gestalter Dick Higgins angeordnet, »soll jemand hinkommen, ganz schnell die Hosen fallen lassen und seinen nackten Arsch ausstellen«. Von dem entblößten Gesäß, so wünschte es sich der Künstler, »soll dann ein Lichtbildner eine Aufnahme machen«.

Diese anal-ästhetische Darbietung fällt aus.

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