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FERNSEHEN Kosmisches Potpourri

Eine mehr als acht Millionen Dollar teure Wissenschaftsserie, mit Dokumentarfilmen und aufwendigen Tricks nach »Star Wars«-Art, kommt im US-Fernsehen heraus. Das ZDF hat die Serie angekauft.
aus DER SPIEGEL 40/1980

Ploppend springt an dem konservenbüchsenähnlichen Gerät ein schmaler Spalt auf. Mit kaum merklichem Ruck dreht sich der Späher und kundschaftet mit seiner Optik die Umgebung aus.

»Keine Känguruh-Ratte, keine Prinzessin und auch kein Landvermesser mit seinem Esel kam ins Bild«, bedauert der Kommentator, als sich das Bild Streifen für Streifen aneinanderreiht -- nur Felsbrocken und roter Sand bis zum Horizont.

Oder ist da doch etwas verborgen? Die nächste Szene läßt es vermuten. Minutenlang geht es im rasanten Trickfilm-Tiefflug durch ein nebelverhangenes, rötlich schimmerndes Tal, das -wäre es auf der Erde -- sich von New York nach Los Angeles 4000 Kilometer quer über den amerikanischen Kontinent strecken würde. »Vielleicht werden wir selbst einmal die Martianer sein«, lautet geheimnisvoll und optimistisch der Begleittext.

So anschaulich und zugleich wissenschaftlich akkurat wird Amerikas Fernsehzuschauern seit dem letzten Sonntag naturwissenschaftliche Bildung übermittelt: Der Kamera-Kundschafter ist das auf der Erde zurückgehaltene Duplikat der Mars-Roboter Viking I und II, die Photos von der Marslandschaft sind die Originalfunkbilder vom Nachbarplaneten.

In 13 jeweils einstündigen Episoden der Fernsehserie »Cosmos« erfährt die mit Dokumentarsendungen nicht gerade verwöhnte amerikanische TV-Nation viel Staunenswertes über Schwarze Löcher und Supernovas, Jupitermonde, Kometen und den kosmischen Urknall, aber auch über die Verdoppelungsmechanik der DNS-Spirale und die Entwicklung des menschlichen Gehirns.

Fürs Fernsehen wiederbelebt werden Denker und Forscher, die solche Erkenntnisse begründet haben, von dem griechischen Philosophen und Mathematiker Pythagoras über den Entdecker des ersten Saturnmondes, Christiaan Huygens, und den Astronomen Percival Lowell bis hin zu Albert Einstein S.266 und dem Raketenpionier Robert Goddard.

Zusammengefügt haben das kosmische Potpourri Gentry Lee vom kalifornischen Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena und der Astrophysiker Carl Sagan von der Cornell University in Ithaca (US-Staat New York). Die Idee zu »Cosmos« war Lee und Sagan vor vier Jahren gekommen, als sie die »Viking«-Daten auswerteten und sich über das schwache Interesse in der Öffentlichkeit wunderten.

Gefallen an dem populären »Cosmos«-Konzert der beiden Wissenschaftler fand die zum Public Broadcasting Service (PBS) gehörende Gesellschaft KCET in Los Angeles. BBC und ZDF wollen die Sendereihe übernehmen. Voraussichtlicher ZDF-Sendetermin: Herbst 1981.

Die für amerikanische Dokumentar-Sendungen einmalige Rekordsumme von 8,25 Millionen Dollar kam überwiegend aus dem PR-Etat der US-Ölgesellschaft Arco. Ergebnis der zweijährigen Kamera- und zehnmonatigen Schneidearbeit ist eine fesselnde Kosmos-Schau, »eine Mischung von Spezialeffekten, Dokumentarfilm und Drama«, wie Produzent Gregory Arndorfer erläutert.

Die Spezialeffekte sind in der Tat beste »Star Wars«-Machart. So kommentiert Erzähler Sagan zeitweilig am Leitstand eines intergalaktischen »Raumschiffs der Phantasie« die theoretische Möglichkeit lichtschneller Flüge durch die Zeit. Beklemmend nehmen sich utopische Stadtruinen auf dem Mars aus und ein Vulkanausbruch auf dem Saturnmond Titan mit dem Ringplaneten am Firmament.

Der Astronom aus Ithaca nutzt das Fernseh-Medium gekonnt. Dramatische, im Science-Fiction-Stil gedrehte Passagen wechseln mit Dokumentar-Szenen -- so wenn Reporter Sagan zu Füßen der Sphinx von der Entzifferung des Rosette-Steins erzählt oder wenn er mit einer Art Grubenlampe in der Hand durch die Gewölbe der Bibliothek von Alexandria streift.

Der Erfolg der aufwendigen Wissenschaftsserie scheint im voraus schon gesichert. Zwei Tage vor Sendebeginn rührte Sagan als Johnny Carsons Star-Gast in der »Tonight-Show« die Werbetrommel. Mit einer Erstauflage von 150 000 Stück kommt das Buch zur Film-Serie auf den Markt. Und mehr als ein halbes Dutzend Fernsehstationen in aller Welt haben das »Cosmos«-Opus schon gekauft.

»Wenn 150 Millionen das Programm sehen«, rechnet der selbstbewußte Autor vor, »könnten etwa eine Million Zuschauer begeistert sein.«

Womöglich seien darunter 10 000 junge Menschen, die sich, angeregt durch die Serie, der Wissenschaft verschrieben. Sagan: »Wenn von diesen nur vier zu Forschern erster Klasse werden, wäre das ein toller Erfolg.«

S.264Mit dem Duplikat der Marssonde »Viking« im kalifornischen »Tal desTodes«.*

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