MODE Kostümfest vorbei
Mit routinierten Griffen befingern sie das Angebot oben in den Designer-Etagen von Bloomingdale, Saks, Altman und Bonwit Teller; von den Bügeln mit den berühmten Etiketts zerren sie Halstons knallrote Satinkleider mit den asymmetrischen Dekolletés, die langen Taftröcke von Oscar de la Renta, die Nancy Kissinger so oft umknisterten, und die sanften Tweedmäntel von Calvin Klein -- Deutschlands Einkäufer durchkämmen New York.
Denn es mehrt sich der Glaube, daß die Amerikaner der Welt nicht nur so dauerhafte Wunder wie Jeans, Parkas, T-Shirts und Sneakers beschert haben, sondern auch in der teuren Modell-Klasse was zu bieten haben.
Die ersten Kundschafter reagierten unterschiedlich. Die schicke »Maja of Munich« ließ die kargen Kaschmirkleider bei Bloomingdale's gleich wieder sinken: »Das ist doch stinklangweilig. So was (etwa 900 Mark für einen Hänger) zahlt doch dafür bei uns niemand.« Dagegen rüstet das Hamburger Modehaus Horn bereits zum wiederholten Male für eine amerikanische Saison.
Fast alle professionellen Kleiderkäufer sind erst einmal von der Schlichtheit der New Yorker Top-Designer verschreckt: Die derzeitige Mode rund um den Central Park heißt absolutes Understatement. Und die Juweliere bei Tiffany's treiben das gar so weit, daß sie ihre hochkarätigen Brillantketten auf frischen Kohlköpfen oder knackigen Schnittbohnen präsentieren.
Im Vaterland des miesen Geschmacks an grellen Effekten sind neuerdings Farben und Schnitte der Top-Kleider so unauffällig, daß etwa Horn glaubt, an die künftige deutsche Trägerin besondere Ansprüche stellen zu müssen: »Es langt nicht«, kommentiert dort Chef-Einkäufer Klaus Görs ein sackfarbenes Abendkleid, »daß eine Frau dafür 3000 Mark bezahlt. Sie muß auch noch was mitbringen, um darin nach was auszusehen.«
Die Tourneen der europäischen Modemacher wirken gegen die Amerikaner wie Aufmärsche von bunten, wiehernden Zirkuspferden. »Für die Amerikanerin ist die Kostümpartie vorbei«, konstatiert Roy Halston, 44, der mühelos einen sackigen grauen Kaschmirmantel für 3000 Mark verkauft, notfalls an Jackie Onassis.
»Meine Kleider sind die Ernte vieler Jahrgänge«, brüstet sich Ralph Lauren, 36, mit seiner Un-Mode. Sein neuester »Sturmmantel« aus müdem Gabardine mit kuscheligem Teddyfutter (2400 Mark) ist ein Hit der Saison. Und dem hübschen Münchner Modell Britta Bauer, 29 und erst seit vier Jahren im Geschäft, bescheinigt »Time« schon »phänomenalen Erfolg« -- mit immer gleichen schlichten Baumwoll-Blusen, ungefütterten Blazern, Hosen und Rücken.
Selbst die »New York Times« drängt neuerdings zur Abkehr von Ausgefallenem und von hektischem Wechsel. Jahrelang hatte Moderedakteurin Bernardine Morris die phantasievolle Euro-Mode hochgelobt -- doch nach den jüngsten Modeschauen in Mailand und Paris quälen sie Bedenken.
Die europäischen Sommerkleider schienen ihr »nur noch für Leute gedacht, deren Leben sich um Swimmingpools dreht, um Kostümfeste und die neueste Discothek«. Sie vermißte ein gutes Angebot an »praktischen Sachen« für alle jene, »die den ganzen Tag arbeiten und froh sind, wenn sie zu Hause die Füße hochlegen und einmal in der Woche ein selbstgekochtes Essen mit guten Freunden teilen können«. Also empfiehlt sie die einheimische Mode.
Schon gehen die ersten US-Designer nach Europa: Geoffrey Beene, 50, läßt fürs Frühjahr einen Teil seiner Kleider aus Rupfen, Leinen und Dochtbaumwolle in Mailand nähen, um die Einfuhrzölle zu umgehen; im Sommer dann will auch Diane von Fürstenberg, 30, den deutschen Markt stürmen -- mit einem Wickelkleid aus geblümeltem Jersey, das sie (für 250 Mark) in den USA schon 100 Millionen Mal verkauft hat.
Die überseeischen Experimente der Amerikaner werden von den Europäern bänglich verfolgt: Besonders Franzosen und Italiener fürchten um ihre Marktstellung, nachdem die Amerikaner es aufgegeben haben, gegen Lizenzgebühr die Pariser Mode nachzuschneidern.
»Früher war ein amerikanischer Designer top, wenn er auf einer Pariser Kollektion zu sehen war«, mokiert sich der sportliche Calvin Klein, 36. »Heute kann keiner mehr wichtig sein, wenn er sich da sehen läßt.«