Kriegsfilm mit Tom Hanks Schiffe versenken

Hauptdarsteller Tom Hanks hat als Kapitän in "Greyhound" Gewissensqualen.
Foto: Apple TV+Als der amerikanische Zerstörer USS "Keeling" endlich mal ein deutsches U-Boot versenkt hat, brandet bei der Besatzung Jubel auf. "50 Krauts weniger!" ruft einer der Soldaten triumphierend. Doch der Kapitän, gespielt von Tom Hanks, legt sein Gesicht in Falten. "50 Seelen" murmelt er, ganz das Gewissen seines Landes, das Hanks schon seit vielen Jahren verkörpert. Tatsächlich aber ist sein Schlachtenepos "Greyhound" ein ziemlicher Seelenverkäufer. Denn am Ende geht es in dem Film darum, möglichst viele Krauts in Fischfutter zu verwandeln.
Hanks hat ein Faible für den Zweiten Weltkrieg. Seit seiner Hauptrolle in Spielbergs "Der Soldat James Ryan" (1998) und seiner Mitwirkung an TV-Serien wie "Band of Brothers" und "The Pacific" darf er als kampferprobt gelten. In "Greyhound" zeigt er einen Aspekt des Krieges, der im Kino bislang unterbelichtet war. Basierend auf dem bereits 1955 erschienenen Roman "The Good Shepherd" des britischen Autors Cecil Scott Forester erzählt er von den Versuchen der U.S. Navy, Frachtschiffe vor deutschen Angriffen zu schützen. Hanks schrieb sogar das Drehbuch.

Weltkriegsepos "Greyhound"
Der Transport von Soldaten und Kriegsmaterial aus den USA nach Großbritannien war die Voraussetzung für die Landung der Alliierten 1944 in der Normandie und somit kriegsentscheidend. Allerdings war er auch sehr verlustreich. Deutsche U-Boote versenkten etliche Frachter, obwohl diese bei ihren Fahrten im Konvoi von Schiffen der U.S. Navy begleitet wurden. Im Atlantik kamen während des Zweiten Weltkriegs Zigtausende ums Leben. Am Ende war von der deutschen U-Boot-Flotte kaum noch etwas übrig.
Hanks' Commander Ernst Krause, der seinen Zerstörer durch die Wellenberge des Atlantiks steuert, ist also der "good shepherd", der gute Hirte, der seine vielen Schafe auf den Truppentransportern ins Trockene bringen soll. Das dramaturgische Grundproblem des Films besteht aber darin, dass hier über Bande gekämpft wird: Die deutschen U-Boote greifen die Frachter an, die USS "Keeling", Spitzname "Greyhound", macht Jagd auf die U-Boote. Es dauert lange, bis der Zuschauer das Gefühl hat, im Zentrum einer direkten Konfrontation zu stehen.
Statistik statt Empathie
Hanks und sein Regisseur Aaron Schneider nehmen fast ausschließlich die Perspektive von Krause und seiner Mannschaft ein. Ab und zu fliegt am Horizont ein Frachter in die Luft, doch was es bedeutet, wenn Hunderte von Seeleuten im Wasser verrecken, das kann oder will der Film seinen Zuschauern kaum vermitteln. Bald fühlt man sich wie bei einer Partie "Schiffe versenken". Statistik statt Empathie, die wichtigste Frage lautet: Wie viele Boote haben wir noch, wie viele haben unsere Feinde? Man vergisst fast, dass es um Menschenleben geht.
Die Feinde, die deutschen U-Boot-Fahrer, werden gleich gar nicht gezeigt. Nur einer von ihnen erhält eine Stimme, die des Schauspielers Thomas Kretschmann. Immer wieder verhöhnt er die Amerikaner über Funk in bewusst holprigem Englisch. Kann jemand eine Seele haben, der nicht mal ein Gesicht hat? Commander Krause, eigentlich tief gläubig, wirft seine Gewissensqualen wie Ballast über Bord und lässt aus allen Rohren auf die Krauts feuern.
Seit einigen Jahren legen die Hollywoodstudios Wert darauf, mit ihren Filmen nach Möglichkeit so gut wie nirgendwo mehr Anstoß zu erregen und keinen Angehörigen irgendeiner Nation zu beleidigen. Über die Schlacht um die Pazifikinsel Iwo Jima hat Clint Eastwood vor einigen Jahren gleich zwei Filme gedreht, um nicht nur der amerikanischen, sondern auch der japanischen Sicht auf die Dinge gerecht zu werden. Völkerverständigung im Schlachtgetümmel. Nun bringt uns ausgerechnet Tom Hanks den guten, alten Kriegsfilm zurück, der ein glasklares Feindbild hat und keinerlei Zweifel kennt, auf der richtigen Seite zu stehen.
Das hat tatsächlich bisweilen den Charme eines B-Movies aus den Vierzigerjahren. Die Frage ist, ob das so geplant war. Oder ob das Projekt nicht irgendwann Schiffbruch erlitten hat. Eigentlich wollte Sony Pictures "Greyhound" ins Kino bringen, schon im Februar 2019. Dann wurde der Start um ein Jahr verschoben, doch dem neuen Termin im Frühjahr dieses Jahres machte die Corona-Pandemie den Garaus. Daraufhin kaufte Apple TV+ den Film und zeigt ihn nun ab dieser Woche auf seiner Plattform.
70 Millionen Dollar soll der Streamingdienst angeblich dafür bezahlt haben. Die dürftige Qualität der visuellen Effekte und die überraschend kurze Laufzeit von 90 Minuten (die dennoch Längen offenbart) erwecken den Eindruck, als sei das Vertrauen in die kommerziellen Aussichten von "Greyhound" irgendwann auf der Strecke geblieben. Man kann versuchen, auch einen havarierten Film nach Ende der Dreharbeiten noch mal flottzumachen. Oder man lässt ihn einfach seinem Schicksal entgegendümpeln.