KRITIK
Rolf Schneider: »Die Tage in W.«. Der Roman -- es geht um einen kollektiv vertuschten Kommunistenmord -- ist zunächst in der DDR erschienen und spielt im Geburtsjahr des Verfassers: 1932. Um Zeitstimmung zu schaffen, läßt der Autor Lichtreklamen zappeln und Song-Platten der Lenya und der Dietrich kreisen. Er zahlt die Arbeitslosen, nennt die ausgezischten Dramendichter. Obwohl es nicht am Sprachsinn fehlt und ein Konflikt erkennbar wird, muß Schneider scheitern -- am, für ihn, historischen Sujet, an der wie verordnet wirkenden Parteilichkeit und auch am Gegendruck unnötiger Nebenhandlungen und Schriftsteller-Notizen. (Piper; 380 Seiten; 17,80 Mark.)
Veijo Meri: »Die Frau auf dem Spiegel«. Der finnische Romancier läßt seine Landsleute, falls sie sich nicht betrinken oder Glaswaren zerschmettern, in der Sauna schwitzen oder auch beim Zimmersport mit einer Freundin. Einzelvortrage und Streitgespräche über Kunst und Krieg und trübe Feilschereien ergeben sich je nach dem Bildungsgrad der Zechkumpane oder Kontrahenten. Der mehrseitige Dialog über verstimmte Magen wird nicht jedem Leser zuzumuten sein. Doch über dem unlustigen und ziellosen Betrieb, der im Selbstmord eines älteren Malers gipfelt, lagert eine bleierne Verzweiflung, die manchmal wie Poesie aussieht. (Hanser; 368 Seiten; 26,80 Mark.)
Walter Bauer: »Ein Jahr«. Die »Tagebuchblatter aus Kanada« des mit fast 50 Jahren aus Enttäuschung über die deutsche Nachkriegsentwicklung ausgewanderten Autors bieten Alltägliches von fast Jüngerscher Beiläufigkeit, sammeln Lesefrüchte und fallen gelegentlich in asche Verse. Aber mit intaktem Gewissen, aus inständiger Selbstbesinnung und entzerrender Distanz urteilt der 62jährige sicher über die Politik der Bundesrepublik und entschieden über ihre neue Literatur, die er als Dozent an der Universität Toronto liest. Bei erweitertem Horizont ist sein Blick doch unentwegt auf Deutschland fixiert. Kanada kommt kaum vor. (Merlin; 252 Seiten; 22 Mark.)