KRITIK
Gustave Flaubert: »Erinnerungen, Aufzeichnungen und geheime Gedanken«. Schon mit 18 wütete, stöhnte und höhnte er stilvoll über Dummheit, Niedertracht und die »traurigen Freuden dieser Welt«. Er begriff »alle Laster, alle Verbrechen« und empfand »für meinen Hund mehr Zuneigung als für einen Menschen«. Das lange verschollene Jugend-Tagebuch -- es wurde erst 1965 in Paris veröffentlicht -- bestätigt es nach einmal: Ein Philanthrop war dieses Schreiber-Idol nie. Flauberts Teenager-Credo (und dabei blieb er): »Das Höchste van allem ist die Kunst. Ein Lyrikband ist sehr viel mehr als eine Eisenbahn.« (Limes; 80 Seiten; 10 Mark.) Charles Simmons: »Eipulver«. Frisch, fröhlich, frei und unfromm sowie mit erquicklicher angelsächsischer Selbstironie läßt der New Yorker Nachwuchsautor einen Anfangs-Twen und College-Absolventen einem Freund kritisch von seinen Erfahrungen mit Eltern, Institutionen und Jobs, mit Kumpels, Mädchen, Spaniern, Italienern, vor allem aber mit sich selbst berichten. Wirklichkeit schlägt ungehemmt zu Buch und so auch unfrustrierte Phantasie: Der Schreiber arbeitet an einem Roman, dessen Held eines Tages auf dem Klo die Sichtbarkeit einbüßt und das Dasein fortan ungesehen fristen muß. (Rauch; 236 Seiten; 18 Mark.) Renard Voelker: »Zeit der verlorenen Söhne«. In der symbolisch verkommenen großväterlichen Villa wohnt der pubertierende Frank dem Sterben seines großen Bruders Draak bei. Während eine Rotte Grosz-artig gezeichneter Spießer den Moribunden behelligt, stilisiert der Knabe den durch sein »Wissen, seine Entschlossenheit, die Unerbittlichkeit seiner Grenzziehungen zwischen Daseinsbetrug und Wirklichkeit« Einsamen in mythische Dimensionen hoch. Der neue deutsche Autor, 49, vom Verlag als »vital« angedroht, läßt gern Banalitäten wie Wahrworte und Andeutungen wie Offenbarungen schallen. (S. Fischer; 224 Seiten; 15 Mark.)