KRITIK
Werner Kilz: »Freibank oder Das Projekt der Spaltung«. Der Romanverfasser ist erst nach dem Mauerbau aus Ost-Berlin entwichen. Das Buch spielt vorzugsweise unter unberühmten Ost-Berliner Bildhauern und Malern, die bei überfüllten Mülleimern und vor nie recht abgewaschenen Trinkgefäßen, eher von Fürsorgerinnen als von Funktionären verfolgt, hochfahrende Theorien loslassen. Im Hintergrund sind allerdings auch Nationalpreisträger auszumachen. Kilz berichtet kühl und manchmal überraschend über Lebenspraktiken des Kunstproletariats. Leider schickt er seine Leser auch auf überflüssige Umwege moderner Bauart. (Insel; 236 Seiten; 18 Mark.)
Wassilij Bykow: »Die Toten haben keine Schmerzen«. Der russische Autor, der wegen dieses Weltkrieg-II-Romans in Moskau milde verwarnt wurde, erzählt nicht vom Ruhm der Roten Armee, sondern vom Elend der Schlachten. Nicht kollektives Heldentum wird abgehandelt, sondern das Leiden des Einzelnen beschrieben. Bykows Klage, daß die Besseren umgekommen sind und daß die überlebt haben, die sich auf die »Ausübung von Zwang« verstehen, ist nicht zu überhören. Das in der Ich-Form verfaßte Buch ist jedoch nicht nur wegen seiner Aufrichtigkeit lesenswert -- es ist auch literarisch durchaus akzeptabel. (Propyläen; 268 Seiten; 19,80 Mark.) Wieland Schmied (Herausgeber): »Wegbereiter zur modernen Kunst«. Gemeint ist eine Wegbereiterin: die Kestner-Gesellschaft in Hannover, Deutschlands renommierteste Kunststätte (E. V.). Zu ihrem 50er Jubiläum haben, nebst anderen Chronisten, ihre Direktoren Hentzen (1948 bis 1955), Schmalenbach (1955 bis 1962) und Schmied (ab 1963) eine Vereinsgeschichte in Augenzeugenberichten verfaßt. Das Prunkbuch, mit gediegenem Bildteil und gründlicher Dokumentation versehen, ist manchmal langatmig, doch immer lehrreich -- es zeigt Glanz und Elend des deutschen Kunstbetriebs im letzten Halbjahrhundert. (Fackelträger; 332 Seiten; 58 Mark.)