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KRITIK

aus DER SPIEGEL 30/1967

»Buch der Agonie. Das Warschauer Tagebuch des Chaim A. Kaplan«. »Wenn mein Leben endet -- was soll aus meinem Tagebuch werden?« notierte Kaplan am 4. August 1942. Fünf Monate später starb der Schriftsteller und Pädagoge 62jährig in Treblinka. Sein Tagebuch, stückweise aus dem Getto geschmuggelt und nun von dem New Yorker Hebraisten Abraham I. Katsh herausgegeben, dokumentiert ein bürokratisch inszeniertes Inferno, in dem die fast 400 000 Einwohner des Warschauer Gettos durch Hunger, Seuchen und Mord systematisch zu Tode verwaltet und obendrein gezwungen wurden, ihren Untergang selbst zu organisieren. (Insel; 404 Seiten; 24 Mark.)

Driss ben Hamed Charhadi: »Schuldlos schuldig«. Wo der wohlfeiltiefsinnige Titel das Fatum bemüht, würden es gelegentlich 20 Mark tun. Denn es geht hier nicht um Schuld, sondern um das triste Minimum, das den marokkanischen Halbwaisenknaben Ahmed -- Gelegenheitsarbeiter, Dieb, Sträfling, Strandwächter und schließlich Diener zweier Pariser Homoeroten -- vor dem Verhungern rettet. Der analphabetische Autor sprach mit diesem autobiographischen Roman dem US-Schriftsteller Paul Bowles ein starkes Stück Dokumentarliteratur auf Band: das distanziert gezeichnete Porträt eines Hiobs der Dritten Welt, (Luchterhand; 396 Seiten; 28 Mark.)

Horst Janssen/ Thomas Höpker: »Zeichnungen + Fotos«. Für den Hamburger Graphiker geht seine Stammgalerie Brockstedt ·zum zweitenmal auf den Buchmarkt: Einem Band Zeichnungen läßt sie nun eine vermischte Publikation nachfolgen. Janssen strichelte dafür neue Varianten bewährter Visagen und Leiber nebst dekorativem Füllsel ("2 Dummköpfe + 1 Fachkopf debattieren über die Gestaltung einer Buchmitte"). Photograph Höpker, dank Wohnzimmers lege mit im Bild, porträtierte den Künstler im Schlummerstuhl, am Zeichentisch, in Druckerei und Kneipe. Mal hat er Pyjamahosen an, mal trägt er Stiefmütterchen auf den Augen. (44 Seiten; 25 Mark.)

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