Kulturexpertin fordert Öko-Kunst-Fonds »Den Grünen würde es gut stehen, sich dafür starkzumachen«

Die Idee der Kulturexpertin Adrienne Goehler, einen Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit zu gründen, schaffte es ins Wahlprogramm der Grünen – worum geht es ihr?
Ein Interview von Ulrike Knöfel

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SPIEGEL: Frau Goehler, Sie fordern einen Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit, kurz FÄN, der soll Projekte fördern, in denen Interessierte aus Kultur und Wissenschaft gemeinsam zur ökologischen Wende forschen. Ihre Idee hat es ins Wahlprogramm der Grünen geschafft – wird sie aber auch die Koalitionsverhandlungen überstehen?

Adrienne Goehler: Hoffentlich! Sicher ist das leider nicht. Dabei wird der Vorschlag getragen von einer wirklich großen außerparlamentarischen Initiative, Theaterleute und Schriftstellerinnen sind ebenso dabei wie Polarforscher. Weit über 100 haben sich in Statements geäußert und sagen: Wir brauchen neue Wege, und die Verknüpfung von Kunst und Wissenschaft wäre einer davon. Auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind es leid, immer nur nach Schema F vorzugehen.

SPIEGEL: Allerdings haben die Grünen einen zweiten Fonds für Kultur und Ökologie im Programm. Warum diese Konkurrenz?

Goehler: Die Grünen sagen salomonisch, dass sich beide Vorhaben ergänzen. Bei der anderen Initiative geht es eher darum, die Kulturinstitutionen und großen Produktionen etwa in den Theatern oder auf Konzertbühnen selbst klimafreundlicher zu gestalten, was tatsächlich auch wichtig ist. Der FÄN soll dagegen neue Formen des Forschens unterstützen, wir hoffen, dass die Notwendigkeit erkannt wird. Den Grünen würde es gut stehen, sich dafür starkzumachen.

Zur Person: Adrienne Goehler
Foto: Wenke Seemann

Adrienne Goehler, 66, ist Publizistin, Ausstellungskuratorin und eine besondere Kennerin deutscher Kulturpolitik. Sie war – unter anderem – Präsidentin der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und später Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds. Sie gehörte bis 1991 den Grünen an, seither ist sie parteilos.

SPIEGEL: Es gibt doch aber bereits viele Förderinstrumente für Kultur und auch für die Wissenschaft.

Goehler: Aber keines, das beide Bereiche klug verbindet. Generell sind Förderungen fast immer auf schnellen Output angelegt, kaum jemand darf sich wirklich Zeit nehmen oder sich eines alten Themas neu annehmen, alles muss immer neuer, immer schneller, immer schriller und auch immer billiger sein. Da kann nichts reifen, und das ist auch nicht gerade nachhaltig. Nachhaltigkeit muss also auf vielen Ebenen stattfinden.

SPIEGEL: Was kann die Kultur überhaupt beitragen?

Goehler: Ein Beispiel: Die Künstlerin Folke Köbberling hat recherchiert, wie sich die Preise für Schafwolle nach unten entwickelt haben und dass diese wegen des Wertverlustes oft weggeschmissen wird. Aufgrund des hohen Anteils an Lanolin gilt sie sogar als Sondermüll und die Entsorgung ist nicht einmal günstig. Dabei könnte dieses vielseitige Naturprodukt in der Medizin und genauso als Dämmstoff eine Rolle spielen. Köbberling hat also einen Berg aus Schafwolle ausgestellt. Als Künstlerin kann sie jede Absurdität zum Thema machen und die Wissenschaft dazu animieren, weitere Einsatzmöglichkeiten zu erforschen, alte Kulturtechniken weiterentwickeln. Sie könnte Teil eines solchen Projektes sein.

SPIEGEL: Künstlerinnen und Künstler nehmen Möglichkeiten anders wahr?

Goehler: Ja, und sie wissen, wie man die Menschen aufmerksam macht. Die Künstlerin Swaantje Güntzel sammelt Müll, den sie später in Performances in der Öffentlichkeit aus einer Rikscha fallen lässt, und plötzlich ist die Empörung der Leute über die Vermüllung unglaublich. Ich war lange für den Hauptstadtkulturfonds tätig, da kamen so viele künstlerische Konzepte auf meinen Tisch. Es war aufregend zu wissen, was gedacht wird, welche klugen Ansätze schon vorhanden sind. Doch weil da vieles nicht in die eine oder andere Schublade passte, war es schwer mit der Förderung.

SPIEGEL: Sie schlagen vor, den Fonds mit zehn Millionen Euro auszustatten. Lässt sich mit dieser eher geringen Summe viel erreichen?

Goehler: Wir gehen das alles bescheiden an. Dieses Vorgehen würde ich mir für viele Politikfelder wünschen – zu sagen, wir fangen an, eine Erfahrung zu machen und dann leiten wir daraus das weitere Vorgehen ab.

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