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Kunst von Bürgerkrieg und Mosselprom

aus DER SPIEGEL 10/1978

»Damit diese Ausstellung vollständig würde, müßte man Straßenbahnen und Züge herbringen, auf die Kampfparolen aufgemalt sind«, auch »Zäune, Mauern und Standarten, die am Kreml vorbeiziehen": Was jetzt im West-Berliner Künstlerhaus Bethanien plakatiert ist, war schon 1930 im Moskauer Schriftstellerklub zu lesen, als Sowjetdichter Wladimir Majakowski »Rechenschaft über 20 Jahre Arbeit« ablegte. Die nun rekonstruierte Werkschau breitet Dokumente eines Sprachvirtuosen aus, der sich zu politischem Gebrauchswert seiner Texte bekannte und den Reklamevers »Käufer, komm / zum Mosselprom!« (dem Moskauer Lebensmitteltrust) als »Dichtkunst höchsten Gütegrades« ansah. Vor allem aber zeigt sich Majakowski als bemerkenswerter Bildkünstler -- Besucherausruf 1930. »Wladimir, Sie können ja sogar zeichnen!« Auf großformatigen, öffentlich ausgehängten Comicstrips ("Rosta-Fenster") hatte er beispielsweise 1920 bildkräftig vor Versprechungen der Weißgardisten gewarnt ; zu seinem eigenen Stück »Mysterium Buffo« entwarf er Kostüme und Kulissen. Die Ausstellung vor 48 Jahren war auch ohne Straßenbahnen und Standarten ein Moskauer Ereignis, nicht zuletzt dank ständiger Anwesenheit des debattierfreudigen Autors. Das trotzdem noch anregende Berliner Remake behilft sich wohl oder übel mit Majakowski-Großphotos.

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