Zur Ausgabe
Artikel 62 / 77

BENGTA BISCHOFF Kurz KP

aus DER SPIEGEL 3/1970

Lieben und arbeiten ist der Sinn des Lebens, ohne dem ist, finde ich, alles vergebens.

Bengta Bischoff

Seit sie 1963 bei Rowohlt ihren ersten Laienroman »Sechs Richtige« herausbrachte, kann Bengta Bischoff, 60, das Schreiben nicht mehr lassen. »Das ist«, erkannte sie, »richtig so, als ob einem ein Dämon das eingibt.«

Also folgte sie ihren Eingebungen und dichtete -- »Das verliebte Lenchen«, »Paulines Wechseljahre« »Das Tagebuch eines Wellensittichs«. Der Rundfunk kam zu ihr ins Haus, das Fernsehen drehte in ihrer Wohnküche. Bengta Bischoff begriff: »Ich bin so eine Art Grandma Moses der deutschen Literatur.«

Nur: Einen Verleger für ihre neuen Romane fand die kinderlose Hamburger Seemannswitwe nach den erfolgreichen »Sechs Richtigen« (9000 verkaufte Exemplare) sechs Jahre lang nicht.

Nun aber kommt der große Ruhm. Nun wird sie nicht nur gedruckt, nun wird sie auch schon verfilmt. Ende Februar publiziert der Hamburger Konkret-Verlag ein Buch mit neuen Werken von Bengta Bischoff, darunter den Roman »Das gelbe Haus am Pinnasberg«.

Ebenfalls im Februar erscheint das bischöffliche »Haus« farbig auf der Leinwand. Alfred Vohrer ("Verbrechen nach Schulschluß«, »Old Surehand«, »Die toten Augen von London"> hat Regie geführt. Er inszenierte seinen bislang delikatesten Stoff.

Denn diesmal hat die Sonntagsautorin Bischoff eine besonders dämonische Eingebung gehabt: In ihrer Sozialwohnung nahe der Herbertstraße. wo die Mädchen sitzen und die Zuhälter walten, erdachte die Rentnerin« umflattert von zwei Wellensittichen, eine Geschichte, wie sie noch keinem professionellen Pornographen in den Sinn gekommen ist.

Schauplatz ist ein Bordell auf St. Pauli, in dem es, so die Autorin, »umgekehrt zugeht: Frauen besuchen Männer gegen Bezahlung«. Handelnde Personen: 36 »Eros-Brüder« aller Hautfarben sowie unzufriedene Damen jeglichen Alters, die im »Gelben Haus« zu zivilen Preisen Erquickung finden. »Die Eros-Brüder«, erläutert Frau Bischoff, »haben alle enorm was auf'm Kasten in Ausübung ihrer Mission. Fast jede Besucherin verkündet hinterher glückstrahlend: Es war eine Wohltat.«

»Wie gut«, sagt zum Beispiel Alma« 32, die »den Tod ihres seligen Brunos nicht verwinden« kann, »daß es den Männerpuff gibt. Ich bin meine ganzen Mitesser los.« Auch die verwitwete Opernsängerin Lola aus Buenos Aires kann von Glück sagen, denn »sie war sehr heißblütig und brauchte den Verkehr jede Nacht«. Und das häßliche Gretchen mit der »überdurchschnittlichen Intelligenz«, das »nur französisch geliebt sein« will, ist so selig, daß es den »Erlkönig« aufsagt.

Bei alledem kann den Klientinnen überhaupt nichts passieren. Der Vertrag nämlich, den die Eros-Brüder mit ihrem Chef, dem »Kapitän« und »Pappi«, abschließen mußten, verlangte unter anderem: »Nicht in die Besucherinnen verlieben; keine Kinder erzeugen.« Und überdies: Die Brüder dürfen ohnehin nur mit einem umgeschnallten künstlichen Penis (im Drehbuch kurz »KP« genannt) operieren.

Für Bengta Bischoff, von Regisseur Vohrer in seinem Film als Hamburger »B.B.« präsentiert, ist das alles nicht schlimm. Sie hat sich nichts Böses dabei gedacht. Sie schreibt ja nicht obszön, sie will nur eines und erklärt es so: »Ich war als junges Mädchen häßlich, fast rollmopsartig und hatte nicht viel Chancen bei Männern. Vielleicht kommt es daher, daß ich im Gelben Haus die häßlichen Frauen auch mal an den Drücker lasse.«

Sie hat eben ein gutes Herz. Gegen ihre Naivität kommt keiner an. Bei Ihr wird alles zur Idylle, herrscht sogar im Bordell das Glück im Winkel, mag da auch der homosexuelle Raumpfleger Hugo seinen Freund Pingpong aus Eifersucht in flagranti erdolchen.

Soviel epische Sonntagsmalerei ist schwer ins Filmbild zu setzen. Aber Vohrer hat sich Mühe gegeben. Er engagierte Bengta Bischoff als Kommentatorin (Frau Bischoff: »Ich gehe als Märchentante, als roter Faden durch den Film") und milderte so den Sex-Kampf der nackten Männer von St. Pauli. Originales Bischoffs-Wort freilich wird selten gesprochen, ein Naiver des deutschen Films Ist Vohrer nicht -- er Ist ein alter Routinier.

Beherzt zerhackte er den Laienroman in »sex Sätze«, reduzierte den Chor der 36 Liebediener auf ein Dutzend und sprengt gar am Schluß -- Action muß sein -- das gelbe Haus am Pinnasberg in die Luft.

Aber Bengta Bischoff ist auch so zufrieden. Sie sagt: »Ich war begeistert von dem Drehbuch.« Begeistert ist sie auch über die »Piepen«, die 50 000 Mark, die sie für ihre Romanvorlage und ihr Kamera-Debüt bislang erhalten hat. Allerdings: Sie muß mit dem Konkret-Verlag teilen.

Vor sechs Jahren, nachdem sie ihre »Sechs Richtigen« getippt hatte, ließ Rowohlt seine Autorin im Mercedes 220 ins Verlagshaus chauffieren. Inzwischen ist Bengta Bischoff schon weiter. Nun darf sie zum erstenmal in ihrem Leben fliegen: Sie jettet im Februar zur Münchner Premiere ihres Films, in dem, dank Bengta Bischoff, immerhin einfallsreicher fabuliert wird als in den üblichen deutschen Produktionen.

Frau Bischoff: »Ich frage mich noch heute: Wie kommt man bloß auf so'n Einfall?«

Zur Ausgabe
Artikel 62 / 77
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren