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BEIRER / MAAZEL Lärm nach Lapsus

aus DER SPIEGEL 43/1966

Zu Hause klingen sie schon seit Monaten nicht mehr zusammen - in der Ferne harmonieren sie pflichtgemäß.

Seit am 25. Mai dieses Jahres ein Gala-»Fidelio« der Deutschen Oper Berlin mit Buhrufen bedacht worden war, traten Chefdirigent Lorin Maazel, 36, und Kammersänger Hans Beirer, 55, nicht mehr gemeinsam auf. In Tokios Nissei-Theater musizierten sie jetzt miteinander im »Fliegenden Holländer«.

Das Japan-Gastspiel der Deutschen Oper kaschierte ein tiefes Zerwürfnis zwischen dem Dirigenten und dem Heldentenor. Grund der Entfremdung ist ein »Versagen«, das der Berliner »Tagesspiegel« für »menschlich« hielt: Im zweiten »Fidelio«-Akt hatte Beirer falsch eingesetzt; die Oper endete mit Mißklang.

Wer der Versager war, ist umstritten. »Bild« beschuldigte Maazel, der meist ohne Partitur dirigiert, er habe den »Einsatz zu geben versäumt«. Die »Berliner Morgenpost« hingegen kreidete den Lapsus dem Sänger an: »Hans Beirers Mißgeschick«.

Diese Deutung mochte der Tenor nicht teilen. Er erklärte der »Deutschen Presse-Agentur«, der Unmut des Publikums habe sich keineswegs gegen ihn gewandt, und attackierte Maazel ohne Namensnennung: »Richtig ist vielmehr, daß vom Dirigenten des Abends für die Partie des 'Florestan' kein oder kein sichtbarer Einsatz gegeben worden war.«

Auch Maazel reagierte empfindlich. Er betraute den Berliner Prominenten-Anwalt Gerd Roos vorsorglich mit dem Schutz seiner Interessen und setzte einen zweiten »Fidelio«-Gala-Abend an - ohne Beirer.

Kränkungen blieben den Künstlern allerdings auch dann nicht erspart, wenn sie getrennt musizierten.

Bei den Berliner Premieren des Sängers wird aus Tradition gelärmt - »regelmäßig und sogar mit Vorwarnung«, sagt Beirer. Einmal erhielt er vorweg Blumen und eine Karte: »Heute abend wird gebuht.«

Dem Dirigenten widerfuhr - in der Wiener Staatsoper - gleichfalls eine Demütigung: Nach dem auswendig geleiteten ersten Akt der »Carmen« legte ihm der Konzertmeister die Partitur aufs Pult.

Doch gleiches Leid konnte die Zerstrittenen nicht milder stimmen: Opernintendant Gustav Rudolf Sellner und, von Sellner zu Hilfe gerufen, Kunstsenator Werner Stein bemühten sich bislang vergebens, die langfristig engagierten Künstler zu versöhnen.

Die gemeinsame Tokio-Aktion - Maazel dirigiert den »Fliegenden Holländer«, Beirer singt darin den Erik ist denn auch kein Zeichen von Eintracht: Die Gastspielverträge wurden bereits 1965 geschlossen, und schon vor dem »Fidelio«-Mißklang waren die Aufführungen ausverkauft.

Sänger Beirer

Im zweiten Akt ...

... ein menschliches Versagen: Dirigent Maazel

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