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FILM Laser für Leia

Ein neuer Weltraumthriller von George Lucas schlägt in den USA alle Kassenrekorde, sogar »E. T.«. *
aus DER SPIEGEL 24/1983

Wieder einmal standen sie Schlange um Häuserblocks, wieder einmal brachen sie alle Rekorde in der gierigen Erwartung eines neuen Films: Eineinhalb Millionen Zuschauer in den USA sahen schon am ersten Tag die »Rückkehr des Jedi«, die letzte Folge der »Krieg der Sterne«-Trilogie. Am Ende der ersten Woche hatte der »Jedi« bereits 45 311 004 Dollar eingenommen - fast doppelt soviel wie der letzte Rekordhalter, »E. T.«.

Nicht mehr der außerirdische Gnom vom vergangenen Sommer besetzt nun Herzen und Hirne eines vorwiegend jugendlichen Publikums, sondern der Ritter aus fernen Galaxien, der vor sechs Jahren die Begeisterung für kosmische Film-Märchen entfachte.

Auch der letzte der drei Filme über die Lehr- und Wanderjahre des jugendlichen Helden auf der Milchstraße erzählt von Abenteuern und Gefahren und von interstellaren Schlachten mit Laser und Neutronen. Im »Krieg der Sterne« hatte Luke Skywalker - der letzte Sproß eines einst mächtigen Rittergeschlechts vom Stamme der Jedi - die Prinzessin Leia und ihre Getreuen gerettet, die vom Bösewicht Darth Vader auf feindlichem Planeten gefangengehalten wurden.

Der zweite Teil, »Das Imperium schlägt zurück«, handelte von der Rache des Schurken und der erneuten Gefangennahme der Prinzessin, aber natürlich konnte Luke seiner Leia auch diesmal zu Hilfe eilen. Nur für den Freund Han Solo kam er zu spät, den hatte der schwarzbehelmte Darth Vader vorsorglich tiefgefroren. Im entscheidenden Laserschwert-Duell vernahm Luke dann die schreckliche Nachricht, er sei der Sohn des Bösewichts.

Um im dritten Film die Aufklärung des Rätsels zu erfahren, waren viele Kinobesucher von New York bis San Francisco stilgerecht gekleidet erschienen: Frauen trugen das Haar in Zöpfen a la Prinzessin Leia, Männer hatten Schwarz angelegt wie der Himmels-Held Luke - und das in der fröhlichen Gewißheit, daß sich alles zum Besten wenden würde. Denn dies ist kein Film von Stanley Kubrick, sondern von George Lucas - keine bedrohliche Science-fiction, sondern Science-fantasy, wo das Gute immer siegt.

Schon in den ersten Tagen hatten die Hartnäckigsten den Film mehrmals gesehen. Das simultan erschienene »Buch zum Film« sprang innerhalb einer Woche auf Platz eins der Bestsellerliste.

Da nützte es nichts, daß die ersten Kritiken mehrheitlich vor dem Spektakel als dem langweiligsten der Reihe warnten: »Es gibt eine gute, eine schlechte und gar keine Nachricht zu diesem Film zu vermelden«, schrieb das Fachblatt »Variety«. »Die gute ist, daß George Lucas & Co. die technische Magie in einem Maße vervollkommnet haben, daß beinahe alles und jedes - so bizarr es auch sein mag - glaubhaft erscheint. Die schlechte ist, daß die menschlich-dramatischen Situationen einschneidend gekürzt wurden. Keine Neuigkeit ist, daß der Film Millionen-Gewinne machen wird, ungeachtet seiner Vor- und Nachteile.«

Denn was können schon Kritiker ausrichten gegen die hochgespannten Erwartungen von Zuschauern zwischen 12 und 25 Jahren? Auf diese Zielgruppe hat sich der Erfinder von Jedi-Rittern und Laserschwert, der heute 39jährige Kalifornier George Lucas, eingeschossen, ihr will er mit seinen intergalaktischen Märchen die Phantasie zurückgeben, die ihr vor dem Fernsehschirm abhanden gekommen ist.

Was Walt Disney für die Jugend zwischen 1930 und 1960 war, ist Lucas, laut »Time«, für die junge Generation der siebziger und achtziger Jahre.

Die Umsetzung seines Kinderglaubens in filmische Trickwelten hat George Lucas mittlerweile ein eigenes und höchst reales Imperium eingebracht: die »Lucasfilm« mit mehr als 200 Angestellten. Sein persönliches Vermögen wird auf mindestens 100 Millionen Dollar geschätzt.

Nicht verwunderlich: Der »Krieg der Sterne« und »Das Imperium schlägt zurück« erbrachten weltweit rund 900 Millionen Dollar plus Millionen-Erlösen aus den inzwischen zur Standardvermarktung eines Hollywoodfilms gehörenden Souvenirs wie Puppen, Aufklebern, Kaugummi, Kinder-Kleidung und Schaumbad. Von der dritten Sternen-Kriegs-Episode erhoffen sich die Macher wieder ein saftiges Geschäft. Der Kritiker der New Yorker »Village Voice« sagte voraus, daß die vom »Jedi« eingespielten Millionen am Ende die Staatsschulden Nigerias übertreffen würden.

Die Handlung bietet dafür trotz ihrer Dürftigkeit jede Voraussetzung: Zwischen dem Anblick des gefangenen Han Solo - inzwischen ziert er als Fossil die Höhlenwand eines Monsters mit Namen Jabba the Hutt - und dem entscheidenden Laser-Duell zwischen Luke Skywalker und seinem angeblichen Vater liegen Befreiungen, Verfolgungsjagden, Weltraumschlachten.

Immer noch dabei sind dramatische Personen wie der Affe »Chewbacca«, der zwergwüchsige Philosoph Yoda und die Roboter, die zum Markenzeichen der Serie wurden: C-3PO und der kleine Piepser R2-D2. Schließlich wieder Alec Guinness als der gutmütige Ben Kenobi.

Unter den neuen Monstern empfehlen sich neben Gangsterpascha Jabba ein nettes Schoßmonster und die so günstig als Spielzeug zu vermarktenden »Ewoks«, ein Stamm von mutigen Teddybären, die auf düsenangetriebenen Lufträdern halsbrecherisch in einem Wald von Mammutbäumen herumkurven. Ihre Verfolgungsjagden sind manchem spannender als die nicht enden wollenden Laserschlachten, die dem Kritiker von »Newsweek« am Ende nur ein müdes Deja-vu-Gähnen entlockten.

Müde scheint auch George Lucas, der Chef-Stratege solcher galaktischen Abenteuer, Er will erst einmal zwei Jahre Pause machen, bevor er zwei weitere Trilogien in Angriff nimmt (die gerade fertiggestellte wäre dann nur die mittlere); insgesamt neun Filme soll das Epos von den Jedi-Rittern umfassen.

Nie wurde das Gesetz der Serie in Hollywood erfolgreicher angewendet als im letzten Jahr: Rocky III, Superman III, Psycho II fanden und finden ihr Publikum, so wie vorher der »Der weiße Hai« und seine Folgen. Seufzte ein Manager von Warner Brothers zufrieden: »Sieht aus wie ein riesiges Jahr - und ein wundervoller Sommer.«

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