Uwe Herms über Georg Geppert: "Songs der Beatles" LEIBHAFTE KOMPONENTE
Eine Zeitlang fürchtete die Christenheit einen neuartigen Versucher, der statt des Pferdefußes vier Pilzköpfe hatte: die (so Chefbeatle John Lennon) »hochgepriesten Beatles«.
Als die in Wahrheit ganz loyalen Gitarren-Protestanten 1966 sich selbst bezichtigten, sie seien beliebter als Jesus, und damit die Menschheit tadelten, da hielten die Gläubigen das für Selbstbelobigung und wollten den Lästerern zeigen, was der Glaube vermag. Durch Verschlechterung der Marktlage (Boykott) gedachten die Gottesmänner zu beweisen, daß Gott gefragter ist, als man denkt.
Zur selben Zeit jedoch waren auch schon Versuche gemacht worden, die allerchristlichste Verfolgung des Beatles-Mythos zu dessen praktisch-theologischer Verwendbarkeit umzufunktionieren.
Von ihrem also erkannten »heilsamen Einfluß« durch solch positive »Grundgedanken« wie Liebe, Freude und Erlebnis in den Beatles-Botschaften handelt nun die elfte »Schrift zur Katechetik« im seriösen (katholischen) Kosel-Verlag.
Nach Jahren jung, doch im Stile alt wie die Kirche selber, legt der Münsteraner Studentenkaplan Georg Geppert die schönsten und besten Lieder seit 1965 dar und aus.
Der Seelsorger hat sich dazu durch einen Größeren bevorworten lassen: Karl Rahner schafft mit einigen weitreichenden Fragen ("Muß ein Verkündiger des Wortes Gottes ... nicht auch die Fans der Beatles kennenlernen, wenn er nicht nur sich und seinesgleichen predigen will?") und tiefen Aussagen ("Der Mensch lernt über sich nie aus") den Grund zum Buch. Ganz in diesem Sinne dissertiert Geppert dann im Schlußkapitel, nachdem er im Hauptteil 29 Texte von »Yellow Submarine« bis »Baby you're a rich man« abgedruckt, eingedeutscht und ausgedeutet hat.
Wie schief, wie scham- und hirtenhaft die Beatles durch dieses Büchlein eingemeindet werden, zeigt Gepperts Reden vom »Bereich der Liebe": Liebe in den Liedern habe »immer auch eine leibhafte, latent sexuelle Komponente«, und die Lieder richteten sich an ein »andersgeschlechtliches Gegenüber«. Wer hätte das gedacht.
Die Beatles sind nach außen fast immer anständig geblieben, obwohl John jetzt eine Japanerin hat. Klar wird aber zugleich, daß Gepperts Wohlwollen für saubere Sänger nur Scheintoleranz ist. Das bezeugt seine Invektive gegen die Rolling Stones, bei denen es »bis ins Perverse« und »zu einer anarchischen, ungebundenen Hemmungslosigkeit« gehe. Die Attitüde jugendfreundlicher Duldung schlägt um in Anmaßung, wenn sie auf die Probe gestellt wird durch Engagement an gesellschaftliche und weltanschauliche Emanzipation, wie die Stones sie einzuüben suchen -- im Gegensatz zu den anpassungsfreudigen Beatles.
Für die betulich-repressiven Vermahnungen aus einem Kaplansmund, in dem der Samen der Versuchung so wenig Frucht getragen hat, für den Mangel an Kenntnis und Verständnis, an Lustigkeit und Lust entschädigt aber das reiche Angebot komischer Stellen im Texte-Teil, wo der Seele aus hanebüchenen Eindeutschungen all die Heiterkeit zuströmt, die der Seelsorger sonst verborgen hält. Da wird »Nowhere Man« mit Mann-Nirgendwo« übersetzt, »Sergeant Peppers Lonely Hearts Club Band« mit »Sergeant Peppers Einsamer Herzen Club Band«, und »Doesn't have a point of view« heißt »Und hat keinen Überblick«. Bei so viel sprachlicher Einfühlung möchte man schließlich mit Geppert fragen: »Wenn zerbrochen dein Vogel, zwingt dich das zu Boden?«
»Christus«, so sagte einmal der große Gollwitzer, »legt seine Sache in beängstigender Weise in die Hände seiner Jünger und seiner Gemeinde.« Deshalb bitten wir mit John Lennon: Gott säge und verhüte Euch!