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BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Letztes Drahtverhau

aus DER SPIEGEL 32/1968

Francois Mauriac: »Die Wege des Meeres«. Desch; 244 Seiten; 19,80 Mark.

Vom Altmeister des katholischen Romans in Frankreich kommt wieder ein neuer Roman, und wieder ist es ein Werk eher des 19. Jahrhunderts, in dem der allwissende Erzähler klug und kennerisch seine Figuren durchschaut und lenkt.

Und deren Wege läßt Mauriac, 82. so lange Irrungen Wirrungen sein, bis das Elend allenfalls noch durch einen Gnadenakt wenn nicht zu annullieren, so doch zu übertrumpfen ist.

Dann tritt Gott auf, Kai aus der Kiste, zur Not auch anonym, und überschwemmt mit des Meeres und der Liebe Wellen die überwachsenen Pfade; und der sonst sorgsam nüchterne Mauriac widersteht dem Pathos nicht länger: »Endlich sprach sie zu der gesichtslosen Liebe, als hätte sie nicht Gott geheißen, sondern einfach: die Liebe. Endlich überschritt sie den letzten Wall, den letzten Graben, das letzte Drahtverhau.«

Die sich so gibt, ist Tochter aus gutem Hause, die nach dem skandalösen Selbstmord ihres Papas unter anderem auch den Verlust ihrer gesellschaftlichen Position, ihres Vermögens. ihres Bräutigams und ihres Bruders zu erleiden hat. Die finanziellen Verhältnisse bessern sich zwar wieder. aber der Niedergang der Familie ist nicht aufzuhalten.

Alle Lebensläufe sind notwendig Irrläufe, Glück findet trotz aller Erdenschönheit höchstens als momentane Täuschung statt. So bringt Mauriac seine Personen dahin, eventuell anfällig für die Gnade zu werden -- eventuell, denn »das Leben der meisten Menschen ist ein toter Weg und führt zu nichts«.

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