BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Liebe zum Richter
Der via CSSR in die Bundesrepublik übergewechselte einstige Ost-Berliner Autor Bieler, 35. hat das Buch. das in der DDR. nicht verbreitet werden durfte, in Springers »Welt« vorabdrucken lassen: Der Ich-Roman vorn in jeder Hinsicht frustrierten Ost-Berliner Mädel liest sich glatt. lockt hier ein Schmunzeln ("Klappe zu. Affe dot. herrlich leuchtet das Morgenrot"), da ein Tränchen hervor und kommt recht gemütvoll über die Runden.
Zwischen Mief, Wonne und Hoffnungslosigkeit erleidet Maria Morzeck ihr politisch bedingtes Schicksal denkbar unpolitisch. Weil ihr Bruder wegen »Staatsverleumdung« -- Abspielen einer Adenauer-Rede im volkseigenen Betrieb -- einsitzt, darf sie nicht studieren, muß sie kellnern, läßt sie sich mit jenem Richter ein, der ihren Bruder verurteilt hat. Daraus wird Liebe und daraus schließlich so etwas wie Schizophrenie. Am Ende bleibt der Heldin (ihrem Autor?) nur ein Ausweg: In die Literatur.
Gewiß beherrscht Bieler des Berliner Volkes Stimme, hat er den Nerv für Jargon und Mentalität der kleinen Leute; ein fernes Fallada-Echo ist hörbar, ferner und schwächer noch eins von Döblin. Aber die durchaus tragödienträchtige Spannung zwischen staatlicher Autorität, sozialer Realität und privater Sphäre wird vom Autor nur angespielt; mehr fällt ihm nicht dazu ein als seine Figuren überschnappen und einander anbrüllen zu lassen.
Man glaubt Manfred Bieler gern, daß er"s in Berlin-Ost nicht mehr aushalten konnte -- dennoch hätte sein Roman nur dort seine Leser zu suchen. Für hiesige Ist es kalter Herzenskrieg. Ein Buch für die Ballons nach drüben.