Ägypten Literaturnobelpreisträger Mahfus ist tot
Kairo Konsequent setzte sich Nagib Mahfus Zeit seines Lebens für einen moderaten Islam und Toleranz gegenüber anderen Religionen ein. Vehement kritisierte er die Missinterpretation religiöser Werte. In einem Interview mit dem SPIEGEL im Februar dieses Jahres zeigte er sich zuversichtlich im Hinblick auf die Demokratisierung der arabischen Welt. Auf die Frage, wie lange es dauern werde, bis die Demokratie dort Fuß gefasst haben werde, antwortete er: "Es wird wahrscheinlich schneller gehen, als manche Zweifler meinen."
In der Unterschiedlichkeit kultureller Werte sah er eine Bereicherung und keine Bedrohung. Klar war er in seiner Haltung zur Meinungsfreiheit, die er als "Recht eines jeden Individuums ansah" und als "voll vereinbar" mit den Werten des Islam und des Christentums. Dass er sich gegen die Todesstrafe aussprach, hatte im Hinblick auf seine eigene Geschichte einen tragischen Hintergrund:
1994 wurde der damals 82-Jährige vor seiner Wohnung in Kairo niedergestochen, nachdem ein Geistlicher sein Jahre zuvor erschienenes Buch als gotteslästerlich verurteilt hatte. Der zuckerkranke und beinahe blinde Mahfus erlitt schwere Schädigungen der Nerven in seinem rechten Arm und konnte danach nur unter großen Schwierigkeiten schreiben. Die zwei Attentäter wurden zum Tode verurteilt und im März 1995 hingerichtet.
Seine Stellung als einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Ägyptens begründete Mahfus in den vierziger Jahren mit gesellschaftskritischen Romanen, in denen er das Bürger- und Kleinbürgermilieu detailgenau schilderte. Internationales Aufsehen erregte der Schriftsteller 1959 mit seinem Roman "Die Kinder unseres Viertels", der in Ägypten lange verboten war.
Konservative islamische Kreise empörten sich über diese Parabel, deren Personal an die biblischen Figuren Adam, Moses, Jesus und Mohammed erinnert, und empfanden die Verleihung des Nobelpreises 1988 als Provokation. Auch wegen seiner Unterstützung des Friedensprozesses mit Israel zog er die Kritik fundamentalistischer und arabisch-nationalistischer Kreise auf sich.
Für seinen Freund und Schriftstellerkollegen Gamal al-Ghitani war er die Verkörperung des "guten Mannes", der die Menschen durch Weisheit und Bescheidenheit für sich einnahm. In Deutschland wurde Mahfus' Werk lange kaum beachtet. Bis der Schriftsteller mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, lagen nur wenige Bände in deutscher Übersetzung vor.
Nagib Mahfus starb heute Morgen in einem Krankenhaus in Kairo, in das er vor mehr als einem Monat wegen Kopfverletzungen eingeliefert worden war.
aki/hoc/AP/dpa