Autor J.-M.G. Le Clézio Nobelpreis-Vergabe enttäuscht Kritiker

Marcel Reich-Ranicki kennt sein Werk nicht, Sigrid Löffler findet die Entscheidung "bizarr": Die Auszeichnung des Franzosen J.-M.G. Le Clézio mit dem Literatur-Nobelpreis stößt nicht überall auf Gegenliebe. Wenigstens Präsident Sarkozy ist begeistert.

Stockholm/Paris/Frankfurt/Main - Deutschlands Literaturpapst ist enttäuscht: Mit Unverständnis hat Marcel Reich-Ranicki auf die Auszeichnung des Franzosen Jean-Marie Gustave Le Clézio mit dem Literatur-Nobelpreis reagiert. Seit vielen Jahren hätte der US-Autor Philip Roth den Preis verdient, sagte Reich-Ranicki. Erneut sei der US-Autor aber leer ausgegangen. Er habe noch keines von Le Clézios Büchern gelesen, so der Kritiker.

Auch die Literaturexpertin Sigrid Löffler ("Literaturen") zeigte sich befremdet. Gegenüber dem Sender MDR Info sprach sie von einer "einigermaßen bizarren Wahl". Löffler bescheinigte Le Clézios Romanen " Monotonie und Langweiligkeit". Das habe viele Leser und auch sie selbst immer abgeschreckt.

Zwar sei der Franzose seit 40 Jahren im Geschäft, er vagabundiere "aber durch die Verlage und hat jedes Buch in einem neuen Verlag", so Löffler. Das bedeute auch, "dass die Verlage mit ihm und mit seinen Verkäufen nicht sehr glücklich geworden sind". Le Clézio sei ein "sehr verspäteter Romantiker", seine "ziemlich Natur-mystische Denkweise" bezeichnete Löffler als "befremdlich".

"Gerührt und dankbar" hat der französische Nobelpreisträger selbst auf die Auszeichnung reagiert. "Dies ist eine große Ehre, und ich danke der Schwedischen Akademie", sagte der 68-Jährige in einem Interview mit dem schwedischen Rundfunksender SR in Stockholm.

Nobelpreis für Literatur

Zuvor hatte die Schwedische Akademie den 68-jährigen Autor als "Verfasser des Aufbruchs, des poetischen Abenteuers und der sinnlichen Ekstase", als "Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation" gewürdigt.

Horace Engdahl, Sprecher der Schwedischen Akademie, hob die Bedeutung Le Clézios für die Weltliteratur hervor: "Le Clézio hat ein großes Autorenwerk im klassischen Sinne präsentiert. Mit mehr als 40 Werken steht es ungeheuer stark da."

Glückwünsche gab es auch von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Le Clézio verkörpere "in einer globalisierten Welt die Ausstrahlung Frankreichs, seiner Kultur und seiner Werte und macht der Frankophonie alle Ehre", hieß es aus dem Elysée-Palast. "Ich beglückwünsche ihn im Namen aller Franzosen zu dem höchsten Preis, den ein Schriftsteller bekommen kann und der Frankreich, die französische Sprache und die Frankophonie ehrt", betonte Sarkozy.

Als "Signal" wertete indes der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Auszeichnung des Franzosen. "Vielleicht ist das die beste Aufgabe des Nobelpreises, dass er in solchen Fällen dazu anregt, die vielen Bücher, die einmal erschienen sind, wieder aufzulegen", sagte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins.

Der Buchhandel vergesse hervorragende Werke, wie das Le Clézios, zu schnell. "Da muss erst ein Preis kommen, um in Erinnerung zu rufen, was wir alles an großartigen Texten haben", sagte Honnefelder. Le Clézio gelte in allen Jurys "als einer der feinsten Namen". Der in Frankfurt ansässige Börsenverein des Deutschen Buchhandels vertritt Verlage und Buchhandel.

Für den Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio ist der Preis ein Motivationsschub. "Das gibt Kraft und motiviert weiterzumachen", sagte der französische Autor im Radiosender France Inter am Donnerstag.

Der Name des Schriftstellers kursierte schon Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe als möglicher Preisträger in den französischen Medien. Der letzte Franzose, der den Preis erhielt, war Claude Simon im Jahr 1985.

ber/dpa/ddp/afp

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