Autoren-Ärger Der Fluch des Dan Brown

Dan Brown ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart. Doch nicht alle Leser sind angetan von den Werken des Amerikaners. Der "Sakrileg"-Autor brüskierte britische Nonnen und italienische Kardinäle. Jetzt hat er auch noch die Kulturstadt Sevilla gegen sich.

Sevilla - Sevilla ist eine schöne Stadt: Die Hauptstadt Andalusiens und die Heimat des Flamenco. Rund 700.000 Sevillanos erfreuen sich an den zahlreichen Touristen, die das Kulturzentrum Europas jährlich heimsuchen und genießen mit ihnen gemeinsam das warme Klima, inklusive 3.000 Sonnenstunden im Jahr. Von Sevilla aus machte sich Don Juan auf, die Herzen der Frauen der Welt zu erobern und Prosper Marimées Carmen war hier Arbeiterin in einer Tabakfabrik. Es war so schön in Sevilla - bis Dan Brown kam.

In seinem Roman "Diabolus" beschreibt Brown Sevilla – und das nicht ganz so, wie es sich die örtlichen Behörden gewünscht hätten. In den Krankenhäusern Sevillas stinke es nach Urin, die Polizisten seien bestechlich und die meisten Telefonzellen funktionierten nicht, schreibt Brown. Außerdem seien die Treppen des Wahrzeichens der Stadt, des als "La Giralda" bekannten Glockenturms der Kathedrale, lebensgefährlich. Mehrere Touristen seien dort bereits tödlich verunglückt.

Die örtlichen Behörden fürchten nun um den Ruf ihrer Stadt – immerhin sind die Romane Browns Bestseller und werden von Millionen gelesen. Die Stadtverwaltung der andalusischen Metropole kritisierte heute, dass ihre Stadt in dem Buch ziemlich schlecht wegkomme.

"Diabolus" erschien 1996 als erster Roman Browns unter dem Titel "The Digital Fortress". Der Thriller handelt von einem mysteriösen Programm, das einen Super-Computer außer Gefecht zu setzen droht, mit dem der US-Geheimdienst NSA verschlüsselte Botschaften von Terroristen oder Drogenhändlern knacken kann.

Neben den spanischen Behörden hat Brown mit seinen Werken auch den Groll der katholischen Kirche auf sich gezogen. Vergangene Woche protestierte die britische Nonne Schwester Mary Michael zwölf Stunden kniend und betend auf den Stufen der Kathedrale von Lincoln, Großbritannien, gegen die Verfilmung des Romans "Das Sakrileg". In der Kirche von Lincoln wurden zwei Tage lang Szenen mit Tom Hanks gedreht.

Die Ordensschwester, die das Buch selbst nicht gelesen hat, hält den Thriller für Gotteslästerung. Die im Roman aufgestellte These, Jesus habe Maria Magdalena geheiratet und mit ihr ein Kind gehabt, sei eine "ketzerische Behauptung", die auf einem "alten Fehler" basiere, wird die Geistliche von der Nachrichtenagentur dpa zitiert.

Browns Roman sorgte auch im Vatikan für Widerstand. "Lest und kauft dieses Buch nicht", warnte der genuesische Erzbischof Tarcisio Kardinal Bertone die Gläubigen. Er fürchte, dass "junge Leser und Leute mit schlichtem Glauben und bescheidener Bildung vom Roman verführt werden", zitierte die "Welt am Sonntag" den Geistlichen. Die Warnung erzielte jedoch einen gegenteiligen Effekt: Die Verkaufszahlen des "Sakrileg", das im Original den Titel "The Da Vinci Code" trägt, schnellten weiter in die Höhe.

Die Proteste der katholischen Kirche sind nachvollziehbar. Immerhin geht es um die Deutungshoheit über die christliche Lehre. Der Kern der Theorie, die Brown in seinem Buch verarbeitet, geht auf Überlieferungen der nicht kanonisierten Evangelien zurück und wird durch andere jüdisch-frühchristliche Schriften gestützt. Bereits 1970 veröffentlichte der US-amerikanische Religionswissenschaftler William E. Phipps den Essayband "Was Jesus Married?" ("War Jesus verheiratet?"). 1982 breiteten die britischen Autoren Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh die Theorie in ihrem Sachbuch "Der heilige Gral und seine Erben" aus.

Auch wenn die Theorie alles andere als neu ist, dem Protest gegen Buch und Film tut das keinen Abbruch. So wurde den Produzenten des "Sakrileg" der Zutritt zur Westminster Abbey, in der man eigentlich drehen wollte, verwehrt: Das Buch suggeriere, dass die Kirche die Wahrheit über das Leben Jesu verschleiern wolle, lautete die Begründung. Als Alternative wählte die Produktionsfirma die Kathedrale von Lincoln. Doch auch hier wurde man nicht mit offenen Armen empfangen. Der Dekan der Kathedrale, Reverend Alec Knight, nannte den Bestseller dpa-Berichten zufolge "einen Haufen Quatsch".

Dennoch einigte sich der Geistliche mit der amerikanischen Produktionsfirma Sony über die Dreharbeiten. Nachdem man eine Spende in Höhe von rund 150.000 Euro zusicherte, stand dem Dreh nichts mehr im Wege.

Schwester Mary Michael blieb jedoch standhaft. Ihr sei egal, was die Produktionsfirma und die Schauspieler, die bei ihrem Protest zugegen waren, dachten: "Für mich ist es wichtig, was Gott denkt, nicht, was die Crew denkt. Wenn ich – wie wir alle – dem Allmächtigen vor dem Jüngsten Gericht gegenüberstehe, dann kann ich sagen, dass ich alles versucht habe. Ich habe alles getan, um zu protestieren", äußerte sich die 61-jährige gegenüber der dpa entschlossen.

In Sevilla zeigte man sich hingegen milder. Die Stadtverwaltung ist nach eigenen Angaben zur Versöhnung mit Dan Brown bereit und will den Autor einladen, um ihm das schöne und wahre Gesicht der Stadt zu zeigen. Immerhin beweise Browns Text ja, dass Sevilla weltbekannt sei.

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