Wettlesen in Klagenfurt
Britin Sharon Dodua Otoo gewinnt den Bachmann-Preis
Eine deutsche Frühstücksszene mit Anklängen an Loriot: Die britische Autorin Sharon Dodua Otoo gewinnt den Hauptpreis bei den 40. Tagen der deutschsprachigen Literatur. Das Publikum favorisierte Stefanie Sargnagel.
"Herr Gröttrup setzt sich hin", heißt der Text, für den Sharon Dodua Otoo den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis im österreichischen Klagenfurt gewonnen hat. Herr Gröttrup ist ein reichlich pedantischer deutscher Rentner, der seiner Ehefrau das Leben nicht nur beim Frühstück schwer macht.
Doch bei der Beschreibung einer Frühstücksszene erhält Otoos Text die entscheidende Wendung mit den Worten "Das. Ei. War. Noch. Weich." Bald darauf wird die Geschichte weitererzählt aus der Perspektive jenes renitenten Eis, sie handelt von Fragen der Wiedergeburt und kommentiert im Vorbeigehen auch rassistische Zusammenhänge in der deutschen Gesellschaft.
Für die Juroren, die dem Text am Samstag lauschten, war es "ein cooler Text", als Leser nehme man "mit teuflischer Freude" wahr, wie das Ei den unsympathischen Grötrupp ärgere. Der Text breche immer wieder aus dem realistischen Konzept aus, man könne "schwer vergnügter von der Reinkarnation erzählen".
Eine Szene, in dem ein deutsches Ehepaar über ein Ei diskutiert: Das löst unweigerlich Gedanken an den Loriot-Sketch "Das Frühstücksei" aus. Für den Juror Klaus Kastberger war der Referenztext allerdings "Der deutsche Mittagstisch" von Thomas Bernhard, der anlässlich einer Bundespräsidentenwahl in Deutschland geschrieben wurde.
Sharon Dodua Otoo bei ihrer Lesung
Foto: ORF/ Puch Johannes
Die 1972 in London geborene Schriftstellerin wurde zum Bachmann-Preis von der deutschen Jurorin Sandra Kegel ("F.A.Z.") eingeladen. Über die Geschichte des renommierten Wettlesens am Wörthersee wusste die in Berlin lebende und arbeitende Otoo bis dahin nicht Bescheid.
"Gewöhnlicherweise beschreibe ich mich als schwarze britische Mutter, Aktivistin, Autorin und Herausgeberin", schreibt Otoo über sich selbst. Sie hat bereits Bücher in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht. Das Teilnehmerfeld der 40. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt war so international besetzt wie selten.
Die weiteren Jurypreise gingen an den Schweizer Dieter Zwicky, Jahrgang 1957, für seinen sprachspielerischen Text "Los Alamos ist winzig" (der mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis), sowie an die 1980 im hessischen Groß-Gerau geborene und in Berlin lebende Autorin Julia Wolf, die unter dem Titel "Walter Nowak bleibt liegen" von einem Rentner im Schwimmbad erzählt (der mit 7500 Euro dotierte 3sat-Preis).
Das Prinzip der Jurydiskussion über die Texte im Beisein der schweigenden Autoren beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb steht immer wieder in der Kritik. (Lesen Sie hier einen Meinungsbeitrag des SPIEGEL-Redakteurs Tobias Rapp dazu.) Möglicherweise erhalten die Einwände neue Nahrung dadurch, dass der Beitrag der späteren Publikumspreisträgerin es bei der Jury nicht mal auf die Shortlist der sieben preiswürdigen Texte geschafft hatte.
Dabei hatte Stefanie Sargnagel nach ihrem Vortrag von "Penne beim Kika" am Donnerstagmorgen zunächst recht wohlwollende Reaktionen bei der Jury geerntet. Doch als Preisträgerin konnte sich das Expertengremium die 30-jährige Wienerin nicht vorstellen. Die auf Facebook populäre und im Vorfeld am meisten gehypte Autorin erhielt die meisten Stimmen bei der Onlineabstimmung und wurde mit 7000 Euro prämiert. Damit verbunden ist außerdem das Stadtschreiber-Stipendium in Höhe von 5000 Euro von der Stadt Klagenfurt