

Hamburg/London - Der Text ist mit Anmerkungen übersät. Auch kleine Skizzen von Zeitgenossen des Autors finden sich darin, von James Joyce oder Charlie Chaplin beispielsweise. Am Mittwoch ist das Manuskript von Samuel Becketts erstem Roman "Murphy" nun bei Sotheby's in London versteigert worden. Der britischen University of Reading war es 962.500 Pfund wert - mehr als 1,1 Millionen Euro.
Der Kauf des Manuskripts eröffne "unvergleichliche Möglichkeiten, mehr über einen der größten Schriftsteller" zu lernen, sagte der Vize-Präsident der Universität, David Bell. Das sieht ein Buchexperte des Auktionshauses ähnlich: "Dies ist ohne Frage für viele Jahrzehnte das wichtigste Manuskript eines kompletten Romans von einem modernen britischen oder irischen Autor", beschreibt Peter Selley laut "Irish Times" den Text.
Das Werk, das zunächst "Sasha Murphy" hieß und sechs Notizbücher füllt, werde die Beckett-Forschung neu definieren, erklärt Selley. Die handschriftlichen Einwürfe des Schriftstellers stammen aus den Jahren 1935 und 1936. Seit den Sechzigern befand sich das Manuskript in Privatbesitz, weswegen bisher nur sehr wenige Menschen überhaupt einen Blick darauf werfen konnten.
Becketts Bearbeitungen illustrieren seinen Schaffensprozess. Allein vom ersten Satz des Buches stehen in dem Manuskript acht Versionen. Der Roman begann schließlich so: "The sun shone, having no alternative, on the nothing new." Also: "Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues."
Auch andere Experten halten das Manuskript für etwas Außergewöhnliches. Die Skizzen weisen darauf hin, wie sehr sich Beckett mit Joyce auseinandergesetzt habe, sagte der Manuskript-Forscher Gabriel Heaton dem "Guardian". "Sie waren sich wirklich sehr nah", erklärte Heaton. Und dieser Roman sei viel stärker von Joyce beeinflusst als alles, was Beckett danach geschrieben habe.
Der Roman "Murphy" spielt in London und Dublin, er enthält viele Bezüge zu Becketts Biografie. Die Erzählung ist einer der humorvollsten Texte des Autors. "Murphy" gilt vor allem als Stadtroman; besonders die Schauplätze in London werden lebhaft beschrieben. Der Titelheld Murphy, der seine Heimat Dublin verlässt und in der britischen Hauptstadt ein neues Leben beginnt, lehnt alle sozialen Normen ab: Murphy ist ein Rebell, der mit Konventionen wie Ehe, Geld und Arbeit nichts anzufangen weiß. Den Frieden, den seine Existenz ihm verweigert, findet er schließlich in einem Irrenhaus.
"Murphy" verkörpert die komische Vision einer unerträglichen Welt, die Beckett in seinem späteren Schaffen weiterentwickeln würde - etwa in seinem bekanntesten Werk, dem Theaterstück "Waiting for Godot" ("Warten auf Godot"). Beckett selbst wollte offenbar Distanz zu seiner Titelfigur wahren: "Es schien mir immer das Risiko zu geben, dass ich Murphy zu ernst nehme", schrieb der Autor laut "Cambridge Companion to Beckett" über seinen Charakter.
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Der Schriftsteller im April 1970: Das Manuskript von Samuel Becketts erstem Roman "Murphy" ist in London für rund eine Million Pfund von der University of Reading ersteigert worden.
Der Text ist von handschriftlichen Anmerkungen übersät.
Auch Skizzen des irischen Autors finden sich darin - beispielsweise von James Joyce.
Joyce in Paris 1937: Der Roman "Murphy" sei viel stärker von seinem Mentor und Freund beeinflusst als alles, was Beckett danach geschrieben habe, erklärte ein Experte.
Beckett bei einer Probe zum Stück "Footfalls" im Londoner Royal Court Theatre 1976: Der Kauf des Manuskripts eröffne "unvergleichliche Möglichkeiten, mehr über einen der größten Schriftsteller" zu lernen, sagte der Vize-Präsident der Universität, David Bell.
Das berühmteste Werk des irischen Nobelpreisträgers ist das Theaterstück "Waiting for Godot" ("Warten auf Godot").
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