Buch über Schnee Die Kunst der Berieselung

Weise rieselt der Schnee: In Charlie Englishs Buch werden die winterweißen Flocken zum Anlass für eine spannende Kulturgeschichte. In die schmilzt außerdem viel Lebensklugheit und Persönliches aus der Vita des Autors. Ein cooler Text - passend zur Jahreszeit.
Buch von Charlie English: Jagd nach dem "besten Schnee der Welt"

Buch von Charlie English: Jagd nach dem "besten Schnee der Welt"

Foto: Rogner & Bernhard

Eigentlich reicht es ja so langsam mit dem Schnee. Seit einer gefühlten Ewigkeit wirbeln die weißen Kristalle nun hierzulande herum. Wer aber trotzdem traurig ist, dass der Schneetrubel bald überwunden sein dürfte, kann sich mit dem "Buch vom Schnee" in den Frühling trösten. Verfasst hat den Band mit dem nüchternen Titel ein britischer Journalist mit dem tollen Namen Charlie English, der hauptberuflich für den "Guardian" schreibt.

Natürlich klingt ein Buch über Schnee nur so mäßig verheißungsvoll, aber dem Briten ist das Kunststück geglückt, mehr als 300 überwiegend sehr unterhaltsame Seiten über die feinen Eiskristalle zu Papier zu bringen.

Merkwürdige Obsession für Schnee

Einerseits ist es die Geschichte eines von der hektischen Großstadt - in diesem Fall London - gepeinigten Kulturmenschen,, der eine merkwürdige Obsession für Schnee entwickelt und sich von Frau, Kindern und Job verabschiedet, um einer Weile lang dem Schnee nachzuforschen. Andererseits ist es auch eine Reise in die eigene Persönlichkeit, motiviert durch seinen Vater, der dem Autor kurz vor seinem Suizid ein Foto schenkte, das ihn glücklich im Skiurlaub zeigt.

Iglu

Also packt dieser Charlie English eines Tages seine Koffer und startet seine Expedition auf der Jagd nach dem "besten Schnee der Welt", hin zu Menschen, deren Leben, warum auch immer, vom Schnee bestimmt wird. Zuerst begibt sich der schöngeistige Brite zu den Inuit im Norden Kanadas, um sich vor Ort erklären zu lassen, wie man ein baut.

Es folgt eine Reihe von ähnlichen Ausflügen in überwiegend eisige Regionen. English forscht zum Beispiel dem Kauz nach, der als erster Schneekristalle fotografierte und katalogisierte. Er verhandelt die immer noch strittige Frage, warum Schnee eigentlich als Schneeball zusammenbackt und wo und warum die heftigsten Schneestürme entstehen. Populärwissenschaftliches kombiniert er gekonnt mit Episoden aus seinem Familienleben.

Wie ein Abenteuerroman von Jack London

In seinen besten Szenen packt einen das Buch wie ein Abenteuerroman von Jack London. Wenn English die unfassbare Kälte einer Polarnacht nach dem gescheiterten Versuch, ein Iglu zu bauen, beschreibt, friert der Leser gleich mit.

Dazu gibt es allerlei Unterhaltsames über den "strahlenden Frost" (Percy Bysshe Shelley), über rosafarbenen Schnee in Colorado oder den "großen Eskimo-Bluff", der besagt, dass dieses Volk angeblich mehr als 500 Worte für Schnee hat.

Außerdem erinnert English uns daran, dass wir eines Tages sowieso alle zu Schnee werden: "Wenn wir sterben, wird sich das Wasser in uns seinen Weg ins Meer suchen, wo es zu gegebener Zeit von der Sonne verdunstet wird und in die Höhe steigt, um als Schnee wieder zur Erde zu fallen."


Buch Charlie English: "Das Buch vom Schnee". Aus dem Englischen von Heike Steffen. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin; 320 Seiten; 19,90 Euro.

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