

Darum geht's: Um Danzig, Warschau, Breslau, Lwiw und so weiter, könnte man sagen - und würde doch nur einen Teil des Buchs zusammenfassen. Hier geht es um Danzig und um Gdansk, um Lemberg und um Lwiw. Wie kaum eine andere europäische Region im 20. Jahrhundert wurden die Gebiete des heutigen Polens und der Ukraine besetzt, zerteilt, umverteilt - und die Städte immer wieder umbenannt. In "Totalniy Futbol" erzählen acht Autoren am Beispiel der acht EM-Spielorte von ihrem Land und vom Fußball ihres Landes.
Das lernt man: Welche Rolle Schachtjor Donezk heute spielt (Regierungsclub einerseits, "osteuropäisches Barcelona" andererseits), und welche Rolle Dynamo Kiew in der Sowjetzeit gespielt hat (Antipode zu den Hauptstadtclubs in Moskau und zudem die am holländischsten spielende Mannschaft der UdSSR), erfährt man auch. Entscheidende Erkenntnis aber ist diese: Unser westlicher Blick, der an osteuropäischen Ländern - egal ob bei Stadionbauzeiten oder Menschenrechtsfragen - gern zuallererst die Defizite wahrnimmt, ist auch eine Form der Ausgrenzung. Es geht nicht darum, ein autoritäres Regime schönzureden. Aber es könnte mal darum gehen, Ländern jenseits von Westeuropa nicht nur Zensuren zu erteilen.
Der Satz, der alles sagt: "Wer in der Ukraine vom Fußball spricht, muss auch über Politik sprechen." (Serhij Zhadan)
Das taugt's: Wie die meisten Anthologien enthält dieses Buch stärkere und schwächere Kapitel. Drei der acht Kapitel hier sind grandios: Juri Andruchowytsch schreibt über Dynamo Kiew, Serhij Zhadan über Donezk und Piotr Simion über Breslau beziehungsweise Wroclaw. Die Kunst der Autoren dieses Buchs besteht darin, entspannt, aber kritisch über ihr jeweiliges Land zu schreiben - dadurch wecken sie mehr Neugier als jede der üblichen, beschönigend oder marktschreierisch aufgeschriebene Reisegeschichten, die man ansonsten über Polen und die Ukraine findet.
Und wer wird Europameister? Nach der Logik von "Totalniy Futbol" könnte es eigentlich nur die Ukraine werden - wenn Waleri Lobanowski, der legendäre Trainer von Dynamo Kiew, noch leben würde und an seine großen Tage Mitte der Siebziger anknüpfte. Aber auch die Ukraine der Gegenwart gilt es nicht völlig abzuschreiben: Der derzeitige Nationaltrainer Oleg Blochin hat Jahre unter "Oberst" Lobanowski gespielt.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Früherer ukrainischer Nationalcoach Waleri Lobanowski (im Jahr 2001): Wenn der legendäre Trainer noch leben würde und an seine großen Tage Mitte der Siebziger anknüpfte - dann könnte nach der Logik des Erzählbands "Totalniy Futbol" eigentlich nur die Ukraine Europameister werden.
Ukrainischer EM-Austragungsort Donezk: "Wer in der Ukraine vom Fußball spricht, muss auch über Politik sprechen", sagt Serhij Zhadan, Herausgeber der Fußballanthologie "Totalniy Futbol". Der örtliche Verein Schachtjor gilt wegen seiner eleganten Spielweise als "osteuropäisches Barcelona".
"Totalniy Futbol"-Herausgeber Serhij Zhadan: Das Kapitel über Donezk hat er selbst geschrieben - es zählt zu den stärksten des Buches.
Rathaus von Breslau: Wie kaum eine andere europäische Region im 20. Jahrhundert wurden die Gebiete des heutigen Polens und der Ukraine besetzt, zerteilt, umverteilt - und die Städte immer wieder umbenannt. Heute liegt Breslau etwa in Polen und heißt Wroclaw.
Alstadt von Lwiw in der Ukraine: Der westliche Blick, der an osteuropäischen Ländern gern zuallererst die Defizite wahrnimmt, ist auch eine Form der Ausgrenzung.
Hafen von Danzig (Gdansk) in Polen: Kein einziger der acht Autoren von "Totalniy Futbol" preist sein Land an - das macht das entspannte Buch so sympathisch.
Fußball-Anthologie "Totalniy Futbol": Acht Autoren erzählen am Beispiel der acht EM-Spielorte von ihrem Land und vom Fußball ihres Landes.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden