
Vorsicht, bissig: Zombies im Blutrausch
Comeback der Zombies Neue Lust auf Gammelfleisch
"Wenn Säh mähch entschoh-hahldigen wörrden", sagt Charlotte zu Lady Catherine und steht auf, um sich in einer Ecke des eleganten Salons zu erleichtern. Ihre alte Freundin Elizabeth Bennett kann gerade noch das Schlimmste verhindern. Diesmal. Denn auch wenn es die stets mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftige gute Gesellschaft nicht wahrhaben will: Charlotte hat sich in eine Zombie verwandelt.
Diese Szene stammt aus dem Roman "Stolz und Vorurteil und Zombies", dem bislang erfolgreichsten einer ganzen Reihe sogenannter literarischer Mash-ups. In den USA verkaufte sich Seth Grahame-Smiths bluttriefender Remix des Jane-Austen-Klassikers über eine Million Mal; Hollywood wird ihn demnächst mit großer Besetzung verfilmen.
Grahame-Smith kombiniert viktorianische Heiratspolitik mit brutaler Zombie-Action; das ist amüsant und hat streckenweise durchaus kulturkritisches Potential. Wenn Charlotte, die aus Berechnung einen selbstgefälligen Spießer geheiratet hat, nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich zu verwesen beginnt, darf das auch als ein lakonischer Kommentar zur seelischen Abgestorbenheit des Besitzbürgertums gelten.
Kein Zweifel: Zombies sind in. Nach Vampiren und Werwölfen erhebt sich nun auch das Heer der Toten, um einer entzauberten Welt das Fürchten zu lehren. Oder, wie die vielen Zombie-Parodien beweisen, das Lachen. Sogar aus Deutschland kommt Anfang September mit "Rammbock" ein Zombie-Film des Regie-Debütanten Marvin Kren. In den USA widmen sich namhafte Filmemacher wie Marc Forster ("World War Z") und Frank Darabont (TV-Verfilmung des Comics "The Walking Dead") den Untoten.
Der Mythos des Zombies rührt dabei an tiefen Schichten unseres kulturellen Bewusstseins. Seine Wurzeln liegen, ähnlich wie beim Vampir, in der uralten Angst der Lebenden vor den Toten. Unsere Zivilisation beruht darauf, dass alles, was über eine gewisse Grenze getragen wird, auch dort bleibt - das reicht von der Kanalisation über die Müllabfuhr bis hin zu unseren Friedhöfen. Alles, was von "drüben" zurückkehrt, ist abstoßend oder unheimlich. Diese Angst ist tief, und angesichts des Todes zugleich ambivalent: Einerseits sollen die Toten ruhen, andererseits sollen geliebte Menschen unsterblich sein. Deshalb ist die Auferstehung des Fleisches auch Teil der christlichen Mythologie: Der jüngste Tag, er spielt in Zombieland.
Der unmenschlich gewordene Mensch
Doch es gibt auch gravierende Unterschiede: Während die Wiedererweckung des beseelten Leibes die größte Hoffnung der Gläubigen darstellt, ist die Wiedererweckung des unbeseelten Körpers der schlimmste Horror des modernen Menschen. Zugleich gemahnt ihn diese seelenlose Existenz an eine sehr zeitgenössische Angst: in entfremdeten Arbeitsabläufen selbst zu einem wandelnden Toten zu werden - machtlos, fremdbestimmt und ohne Hoffnung.
Diese Ausweglosigkeit rührt an den Kern des Mythos: Der klassische Zombie ist zum Existieren verdammt, ohne die geringste Chance, Sinn oder Bedeutung zu schöpfen; er verbreitet namenlosen Schrecken. Seit den stilprägenden Klassikern des Horrorkinos von George A. Romero ist er einfach da, ein unerklärliches, bedrohliches Phänomen und zugleich Symbol für alles, was einst verdrängt wurde und jetzt mit aller Macht zurückkehrt. Und sei es die unterdrückte Angst vor unserer eigenen Endlichkeit - oder vor einem Dasein, in dem wir vegetieren, anstatt wahrhaftig zu leben.
Der moderne Zombie ist also der unmenschlich gewordenen Mensch par excellence, ein seelenloser Kannibale, von ewigem Hunger getrieben. Er verneint alles, was uns ausmacht und ist zugleich verzerrter Widerhall unserer dunkelsten Regungen: Egoismus, Aggression und trotzige Auflehnung gegen unsere Sterblichkeit.
Frisches Hirn, Liebe, Anerkennung
Ob als rasende Bestie in Danny Boyles "28 Days Later" oder als im All umhermarodierender "Reever" in Joss Wheadons grandioser Weltraumserie "Firefly" - mit seiner nihilistischen Zerstörungskraft fungiert der Zombie immer auch als Sinnbild für die Dummheit und Gier der Menschheit, deren fragwürdige Experimente oft zum Auslöser der Katastrophe werden.
Davor kann man sich entweder fürchten oder darüber lachen - Angst und Humor sind eng verknüpft. Zombieparodien sind fast so zahlreich wie ernst zu nehmende Horrorwerke - von Peter Jacksons "Braindead" (1992) über "Shaun of the Dead" (2005) bis hin zu "Zombieland" (2009). All diese Komödien illustrieren einen Grundverdacht der Moderne: von geistlosen Idioten umgeben zu sein, und in einer feindlichen Umgebung das zu suchen, was der Mensch so nötig braucht wie der Zombie frisches Hirn: Liebe, Freundschaft und Anerkennung.
Doch sobald der Zombie beginnt, ebenfalls menschlich zu werden; zu lernen, wie in Romeros Film "Day of the Dead" (1985), sich zu organisieren ( "Land of the Dead", 2005) oder gar beschützenswert zu sein wie in Romeros letzten Werk "Survival of the Dead", das letztes Jahr in Cannes präsentiert wurde, geht seine unbestimmte Düsterkeit verloren und er wird zur Metapher für alles, was innerhalb der westlichen Konsumkultur ausgegrenzt und marginalisiert wird.
Fleischgewordener Todestrieb
Eine Tendenz zur Vermenschlichung des Ausgeschlossenen lässt sich auch in der Literatur beobachten - in seinem kürzlich erschienenen Roman "Die Zombies" nähert sich der deutsche Fantasy-Autor Thomas Plischke dem Mythos der Wiedergänger ebenfalls auf recht einfühlsame Weise: Eine junge Britin mit haitianischen Wurzeln schreibt eine Doktorarbeit über Zombies. Durch einen versehentlichen Biss selbst zur Untoten werdend, glaubt die Wissenschaftlerin zunächst an eine kultivierte Lösung: ewige Liebe und ewiges Leben.
Zumal ihr neuer Freund ein außerordentlich zivilisierter Zombie ist: Menschenfleisch nur von bösen Kriminellen, dargereicht in feinen Scheibchen. Doch im Gegensatz zu Romeros zunehmend humaner werdenden Untoten lässt sich bei Plischke die wahre Natur des Zombies nicht auf Dauer unterdrücken.
Denn während die Menschen leben, um zu sterben, muss der Zombie töten, um zu leben. Mit ein bisschen Selbstbeherrschung ist dem nicht beizukommen - der Zombie als fleischgewordener Todestrieb lässt sich nicht auf Dauer domestizieren. Und findet immer wieder einen Weg, zu dem zu werden, was er seinem Wesen nach ist: die unausweichliche Wiederkehr dessen, was wir längst begraben glaubten.