

Es gibt bald eine neue Miss Marvel im Kreise der Superhelden, und diesmal wird sie keine blauäugige Blondine sein. Kamala Khan heißt das 16-jährige Mädchen mit pakistanischen Wurzeln, das ab Februar als erste Muslima mit einer eigenen Heftreihe bei Marvel Comics an den Start geht.
Die Idee kam Marvel-Redakteur Stephen Wacker, der unter anderem die "Spider-Man"-Reihen betreut, laut "New York Times" im Gespräch mit seiner ebenfalls aus Pakistan stammenden Kollegin Sana Amanat. "Ich erzählte ihm eine verrückte Anekdote aus meiner muslimisch-amerikanischen Kindheit, und er fand das phantastisch", sagte Amanat der "Times". Zusammen konnten Wacker und Amanat die zum Islam konvertierte Ex-Journalistin, Buch- und Comic-Autorin G. Willow Wilson ("Air") gewinnen, die Storys um Kamala zu schreiben. Zeichnen wird der wegen seines unorthodoxen Stils vor allem bei jungen Fans beliebte Kanadier Adrian Alphona ("Uncanny X-Force").
Auch wenn es in Kamalas Geschichten laut Wilson um die Konflikte eines Teenagers mit spezifisch muslimischer Herkunft gehen soll, wird sie in jedem Fall ein All American Girl sein: "Sie ist stark, schön und schleppt nicht den Ballast mit sich herum, pakistanisch und 'anders' zu sein", sagte die Autorin der "Times". Ihr großes Vorbild ist vielmehr die bisherige, sehr blonde und wohlgeformte "Ms. Marvel", Carol Danvers, die im Comic-Universum heute als "Captain Marvel" firmiert.
Als Kamala ihre Kräfte entdeckt - angeblich kann sie ihre Gestalt verändern - übernimmt sie den abgelegten Heldennamen ihres Idols. Die Serie, so Wilson, drehe sich um "die universelle Erfahrung aller amerikanischen Teenager, die sich isoliert fühlen und herausfinden wollen, wer sie sind." In Kamala Khans Fall geschehe das eben durch die Augen einer amerikanischen Muslima mit Superkräften.
Neues Personal für neue Leserschaften
Ganz so politisch wie die in Pakistan populäre Cartoon-Reihe "Burka Avenger" um eine muslimische Rächerin ist Marvels neue Heldin also nicht. Die Einführung der Figur ist dennoch ein Wagnis für den New Yorker Comic-Riesen und bedeutet einen mutigen Schritt in Richtung kultureller Öffnung. Seit einigen Jahren bemüht man sich bei Marvel, verstärkt auch ethnische Minderheiten in seinen Heldengeschichten abzubilden. Dahinter steckt natürlich auch ökonomisches Kalkül. Denn das Medium Comic mag zwar mit spektakulären Heldenfilmen im Kino Erfolge feiern, die Heftverkäufe jedoch sind seit langer Zeit rückläufig. Neue Käuferschichten müssen erschlossen werden, vor allem unter jenen, die sich bisher von weißen Helden wie Spider-Man, Captain America oder dem nordischen Gott Thor immer weniger repräsentiert fühlten.
Der Großteil der Comic-Gemeinde ist jedoch konservativ und beharrt auf jahrzehntelangen Traditionen. Das musste Marvel bereits 2011 schmerzhaft erfahren, als in der alternativen "Spider-Man"-Reihe "Ultimate Comics" der Latino-Teenager Miles Morales als neuer Spinnenmann eingeführt wurde. Ein Empörungssturm hob an, der sich allerdings vor allem um die Frage drehte, ob Morales den populären Ur-"Spider-Man" Peter Parker ersetzen würde - was nicht der Fall war. Die Serie wurde zum beachtlichen Erfolg bei jüngeren Lesern.
Entscheidend für Marvel dürfte im Fall der neuen "Ms. Marvel" aber auch sein, dass Kamala eine junge Frau ist. Der Verlag braucht dringend neue, junge, vor allem aber weibliche Helden, um seine Hefte attraktiver für Frauen zu machen. Während Konkurrent DC Comics mit von Frauen geschriebenen Serien über Heldinnen bereits Erfolge feiert, darunter "Wonder Woman", "Catwoman" sowie "Batwoman" und "The Movement" von Star-Autorin Gail Simone, spielen die Damen bei Marvel oft noch Nebenrollen.
Einen Anfang machte Autor Brian Wood in diesem Jahr mit der rein weiblichen Besetzung seines "X-Men"-Teams. Auch startete mit "The Fearless Defenders" eine weitere, bisher allerdings wenig erfolgreiche Superheldinnen-Serie. Im nächsten Jahr sollen nun neben dem neuen "Ms. Marvel"-Titel auch Avengers-Mitglied "Black Widow" sowie "She-Hulk" neue, eigene Reihen bekommen.
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Die neue Ms. Marvel, diesmal nicht blond und blauäugig, sondern ein aus Pakistan stammender Teenager: Kamala Khan auf dem Vorab-Artwork der neuen Marvel-Reihe
"Ms. Marvel"-Artwork mit Familie: Die Storys um Kamala Khan schreibt die zum Islam konvertierte Autorin G. Willow Wilson, die Zeichnungen stammen vom kanadischen Marvel-Autor Adrian Alphona
Kulturelle Öffnung mit Hindernissen: 2011 etablierte Marvel in der Alternativ-Reihe "Ultimate Comics" den Latino-"Spider-Man" Mike Morales. Proteste wurden laut, heute ist die Serie ein Erfolg.
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