

Kinderbuch-Heldin Conni und die Querdenker


Kinderbuchheldin Conni: Stromlinienförmige Vorabendserienhaftigkeit
Foto: DER SPIEGELPraktisch am paranoiden »Querdenken« ist es offenbar, hinter jeder Ecke neue Nahrung für die eigene Erregungsbereitschaft zu finden. Wer ohnehin gereizt ist, lässt sich gern reizen. Und wer überall Verschwörung wittert, sieht überall Verschwörer. Nun hat es, weil gerade Unschuld besonders verdächtig ist, mit Conni Klawitter endlich die Unschuld schlechthin erwischt.
Conni, Conni mit der roten Schleife im Haar, genau diese Conni ist fünf, nach über einem Vierteljahrhundert umständehalber auch mal fünfzehn Jahre alt, und »einfach wunderbar«. Natürlich ist sie »auch in der Schule gut«, was sie selbst aber mit sympathischer Bescheidenheit einschränkt: »Na ja, jedenfalls meistens.«
Unter verschärfter ideologischer Beobachtung
In der jüngsten Ausgabe (»Conni macht Mut«) geht es um die Pandemie, in Umlauf gebracht mit einer Startauflage von 20.000 Exemplaren. In dem Büchlein lässt sich das Kind die Krankheit erklären, videotelefoniert mit den Großeltern, vermisst seine Freunde – und betreibt damit aus Sicht der Leugner eine »perfide Manipulation« der Jüngsten, mithin »Staatspropaganda«.
Bemäkelt wird nicht nur der Umstand, dass das Virus, anders als im »Ärzteblatt« oder Studien des Max-Planck-Instituts, im Kinderbuch »unrealistisch« dargestellt ist. Es wird, fahrlässiger noch, dem Nachwuchs die Pandemie tatsächlich als ansteckende, tödliche Krankheit geschildert. Wenn das keine Indoktrination durch finstere Mächte ist, was dann?
So steht es jedenfalls in empörten Besprechungen auf Amazon, und so muss sich auch ein rechtsdusseliger YouTuber echauffiert haben. Dessen Wut fand, wie immer, in den einschlägigen Foren freudige Verbreitung – mit der üblichen Eskalation bis hin zu »Drohbriefen« oder »Morddrohungen«.
Deren vielfach kolportierte Existenz will der Carlsen-Verlag, bei dem auch die einschlägigen Pixi-Bücher erscheinen, auf Anfrage nicht bestätigen. Hier hält man lieber den Ball flach.
Dabei stehen literarische oder journalistische Welterklärungen von »Logo« bis »Pippi Langstrumpf« gegenwärtig unter verschärfter ideologischer Beobachtung. Schließlich geht es »um die Kinder« und damit die Zukunft – auch wenn diese Kinder oft nur Chiffren oder Strohpüppchen für ideologische Ansprüche von rechts wie links sind.
Von rechtsbesoffener Seite gab es bislang selten Grund zur Klage über Conni. Das hier propagierte Lebensmodell ist so konservativ, dass es knirscht. Mutter und Vater sind gesetzt, die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern herkömmlich. In dieser Welt gilt es schon als progressiv, dass ein Mädchen gegen einen Fußball treten kann.
Weltweiter Erfolg
Kurioserweise hat die stromlinienförmige Vorabendserienhaftigkeit der kleinen Kartoffel zu ihrem weltweiten Erfolg beigetragen – mit der üblichen Diversifizierung des Produkts. Es gibt sie als Puppe, Bilderbuch, Hörspiel, Zeichentrick, Musical, Kinofilm (Emma Schweiger) – fehlt nur noch »Conni on Ice«.
Annette Klawitter, die Mutter, ist »geduldig und ordentlich« und kümmert sich um die Kinder, auch beruflich. Als Kinderärztin ist sie eine approbierte Kinderkümmererin, und toll kochen kann sie auch. Vater Jürgen hingegen hockt oft lange im Büro, er ist selbstredend Ingenieur und Statiker, kennt sich toll mit Zahlen aus und bringt in der Küche höchstens Nudeln zustande.
Conni selbst entspricht dem Ideal des wohlgeratenden Töchterchens, das seinen idealen Eltern, mit denen es ein ideales Einfamilienhaus mit Garten bewohnt, keinerlei Sorgen bereitet. Diese Eltern bestehen im Prinzip nur aus schmunzelndem Verständnis und sind ein Abbild der Großeltern, wie auch Conni und ihr kleiner Bruder Jakob dereinst Abbilder ihrer Eltern sein werden. Sogar ihr Kater Mau kann seinen Namen sagen: »Mau«.
Keine Müdigkeit, kein Stress, keine Überforderung
Harmlosigkeit und Stumpfsinn sind benachbart, und das wiederholte Vorlesen der immer gleichen Geschichtchen (Conni erlebt etwas Neues und bewältigt es mit Bravour) stellt selbst den Gewogensten auf eine harte Probe. Nicht den Urheberinnen, aber der Kunstfigur hat schon so manche Mutter das denkbar Übelste an den Hals gewünscht – beispielsweise eine 4 in Mathematik.
Conni lernt backen und Freunde kennen, geht zelten oder zum Arzt, kommt in den Kindergarten oder in die Bredouille (und da schnell wieder heraus). Ihre Allzeitbereitschaft macht sie sehr beliebt: »Na klar, Leute, ich bin dabei!«. Es gibt keine Müdigkeit, keinen Stress, keine Überforderung und, nebenbei, auch keine finanziellen Sorgen weit und breit. Es geht auf den Reiterhof und zum Urlaub nach Kreta.
Kindern mag diese heile Welt eine Orientierung bieten, eine grobe Marschrichtung vorgeben. Da soll's hingehen mit der prächtigen Entwicklung! Vorlesende Eltern hingegen kann die homogene Fehlerlosigkeit dieser bonbonblonden Welt in den Wahnsinn, wahlweise auch in die Depression treiben.
Conni ist eine Normalitätsmaschine. Und die Norm, die sie produziert, ist eine erzbürgerliche, in der es keine Anarchie und Diversität nur in homöopathischen Dosen gibt. Das Böse gibt es nicht, höchstens das Doofe, und doofe Kinder strecken Conni die Zunge heraus und sind so doof wie ihre Eltern, das steckt in der Familie.
Abweichendes ist erst 2020 durch das Virus in die Reihe eingedrungen – und ruft prompt Protest an einem reaktionären Rand hervor, der sich an der Norm normalerweise nicht stört. Er setzt diese Norm und entspricht ihr in der Regel sehr gern. Umso faszinierender, wie ernst Conni von ihren »Kritikern« genommen wird.
Kinder jedenfalls sind durchaus in der Lage, von der Kunstfigur zu abstrahieren und einen erhellenden Abgleich mit der eigenen Lebenswelt herzustellen. Während Eltern noch mit den Augen rollen, machen ihre Leserinnen sich längst lustig über die kleine Streberin mit der Schleife im Haar.
Na ja, jedenfalls meistens.