DDR-Comic "Mosaik" Die drei kleinen Fluchthelfer

Strichmännchen als Staatsfeinde? Der populäre DDR-Abenteuer-Comic "Mosaik" entführte seine Leser in Länder, die sie selbst nie bereisen durften. Eine Schau widmet sich jetzt den besten Jahren des Hefts - und zeigt auch, wie dessen klein-kapitalistischer Macher mit den Behörden kämpfte.

Es steckt etwas von "Asterix" in dieser Geschichte. Die ganze Kultur der DDR ist staatlich gleichgeschaltet, und nur einem kleinen Heft gelingt es, sich gegen die Obrigkeit zu wehren.

Das Heft war das "Mosaik", das ab 1955 in Ostberlin erschien. Mit monatlich bis zu 660.000 verkauften Exemplaren war es der erfolgreichste ostdeutsche Comic. Die Geschichten spielten in Rom, in Venedig, in Paris und an anderen Orten, die der realsozialistische Bürger nicht zu sehen hoffen durfte. Damit waren die Hefte im Wortsinn "Fluchtlektüre". Und eine jetzt in Leipzig eröffnete Ausstellung macht deutlich, dass die Bedeutung der Hefte weit darüber hinaus reicht.

Die Schau speist sich vorrangig aus dem Archiv von Johannes Hegenbarth. Hannes Hegen, wie er sich als Künstler nannte, war der Erfinder des "Mosaik" und seiner abenteuerlustigen Helden Dig, Dag und Digedag, denen die Schau ihren Namen verdankt.

Hegens Archiv aus 35.000 Einzelobjekten rund um den Comic hat er noch zu Lebzeiten dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig vermacht; darunter finden sich nicht nur Comic-Seiten und originale Zeichnungen, sondern Verträge, Entwürfe, Konzeptpapiere, Fotos und plastische Ausarbeitungen von Figuren und Handlungsorten, die gestaltet wurden, damit die verschiedenen Zeichner des Heftes auf einheitliche Vorlagen zurückgreifen konnten.

Urwälder, Kamele, Kino-Klau

Denn auch wenn, wie bei Walt Disney oder Rolf Kaukas "Fix & Foxi", Hegens Name auf jedem Titelblatt stand, waren die Hefte das Ergebnis von Teamarbeit. Hegen verstand es frühzeitig, eine Vielzahl talentierter Mitarbeiter an sich zu binden, die das Heft im Monatsrhythmus erstellten - während er selbst pro Heft ein Honorar von 25.000 Mark erhielt, in einem Land, in dem reale Löhne im unteren dreistelligen Bereich lagen; eine Insel des Kleinkapitalismus also.

Die Arbeitsmethode erinnert an Hergé. Der Schöpfer von "Tim & Struppi" hatte nach dem Krieg in Belgien sein "Studio Hergé" eröffnet, in dem die Comics weitgehend von Mitarbeitern gestaltet wurden. Briefe Hegens belegen, dass ihm das westliche Vorbild durchaus bewusst war und er sein "Mosaik" gern genauso im Großformat gesehen hätte wie "Tim & Struppi".

Und genau wie Hergé legte auch Hegen ein gewaltiges Archiv an Bild- und Textvorlagen an, nach denen seine Mitarbeiter die historischen Epochen so originalgetreu wie möglich rekonstruieren sollten. So entstanden großformatige Kladden mit Bildern zum alten Rom, zu Indianern, zu Urwaldpflanzen. Ein ganzer Ordner widmete sich ausschließlich Kamelen. Heimlich fotografierte Hegen sogar im Kino Filme ab, um sich Vorlagen für Schauplätze und Details zu beschaffen.

Was ein wenig skurril wirkt, sorgte letztlich für die hohe grafische Qualität des Heftes. Die lässt sich - und das ist die große Leistung der Ausstellung - erstmals in Leipzig realistisch anhand einer Vielzahl von Originalseiten einschätzen.

Denn was in der DDR als "Mosaik" erschien, war meist von minderer Qualität, verkleinert und auf billigem Papier gedruckt; Schraffuren, Schatten oder Details im Bildhintergrund ersoffen so in der schlechten Reproduktion. Die gezeigten Seiten in Originalgröße zeigen dagegen große Versiertheit und Liebe zum Detail. Und so öffnet die Schau auch die Augen für das extrem hohe Niveau, auf dem in Hegens Studio Comics gemacht wurden - mitten in einem Land, dessen Regierung Comics eher ablehnte.

Auch den Kleinkrieg Hegens mit den Zensurorganen dokumentiert die Ausstellung, der, gepaart mit Krach über das liebe Geld, letztlich 1975 zum Bruch führten und zur Quasi-Enteignung seiner Schöpfung. Seitdem ist Hegen als Künstler nahezu verstummt. Anders als bei "Asterix" endet die Geschichte hier nicht mit einem Sieg, selbst wenn "Mosaik" bis heute erscheint.


"Dig, Dag und Digedag - DDR-Comic 'Mosaik'", Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, bis zum 13. Mai 2012.

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