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"Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange" So ziemlich die beste Dystopie der letzten Jahre

Jugendliche kämpfen so lange gegeneinander, bis nur noch einer lebt - "Die Tribute von Panem X" steht auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste. Wir beantworten die entscheidende Frage: Und das soll ich lesen?
aus SPIEGEL Bestseller 2/2020
Die Schauspieler Josh Hutchinson, Jennifer Lawrence und Liam Hemsworth bei der Premiere des Films "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil II" 2015

Die Schauspieler Josh Hutchinson, Jennifer Lawrence und Liam Hemsworth bei der Premiere des Films "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil II" 2015

Foto: Britta Pedersen/ dpa

An dieser Stelle nehmen wir uns jede Woche den wichtigsten Neueinsteiger, Aufsteiger oder den höchstplatzierten Titel der SPIEGEL-Bestsellerliste vor - im Literatur-Pingpong zwischen Maren Keller und Sebastian Hammelehle.

Hammelehle: Das letzte Jugendbuch, das ich gelesen habe, war "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer". Warum sollte ich jetzt mit den "Tributen von Panem" anfangen?

Keller: Das ist, als würdest du fragen, warum du jetzt damit anfangen solltest, Musik zu hören oder Kuchen zu essen. Ich würde sagen: weil du schon viel zu viel verpasst hast! Aber wahrscheinlich solltest du nicht mit dem Prequel anfangen, das gerade neu erschienen ist, sondern mit der ursprünglichen Trilogie. Sonst wird es schwer, den speziellen Reiz dieses Buches nachzuvollziehen.

Hammelehle: Was habe ich denn verpasst?

Keller: Na ja, im Fall der "Tribute von Panem" so ziemlich die beste Dystopie der letzten Jahre. Kernidee sind die sogenannten Hungerspiele: Dabei werden Jugendliche aus allen Teilen des Landes gezwungen, so lange in einer Arena gegeneinander zu kämpfen, bis nur noch einer lebt. Verantwortlich dafür ist der Antagonist der Reihe, Präsident Snow. Der neue Band spielt nun in der Jugend von Snow, und es geht um die Frage, wie er so böse werden konnte. Und wie schon in den ersten Bänden kann man das alles auch politisch lesen.

Hammelehle: Lass mich raten: Das Land im Buch ist eine Allegorie auf die USA, und Snow ist eine Art Trump. Der war ja als junger Mann angeblich auch noch nicht ganz so geistig plattgebügelt wie heute.

Keller: Ganz so ist es nicht. Es geht um angeborene Privilegien. Snow lebt als Jugendlicher ziemlich ärmlich, obwohl er aus einer einflussreichen Dynastie stammt. Aber seine Eltern sind tot, und das Familienvermögen wurde im Krieg vernichtet. Trotzdem trägt er tief in sich den Glauben daran, dass ihm Besseres zusteht. Das ist der eine Grund, aus dem er bereit ist, Freunde zu verraten und Vorteile auszunutzen. Der andere ist, dass er mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dass der Mensch in seinem Kern schlecht ist. Dabei ist das Buch selbst eigentlich ein Gegenbeweis, weil es einen als Leser ständig dazu bringt zu hoffen, dass er doch noch zu einem der Guten wird, nachdem er sich in die freiheitsliebende Musikerin Lucy Gray Beard verliebt.

Hammelehle: Eine Dystopie, die in ihrem Kern eine Utopie ist? Äußerst feinsinnig. So raffiniert kam mir das Buch gar nicht vor.

Keller: Mit "Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer" kann es natürlich nicht ganz mithalten, aber die Reihe lohnt sich auch für Menschen, die sonst einen großen Bogen um Jugendliteratur machen.

Hammelehle: Schön, dass auch du das als Jugendbuch bezeichnest. Es ist ja sonst von All-Age-Literatur die Rede. Mich erinnert das an die Altersangabe auf Gesellschaftsspielen: von 9 bis 99. In Wahrheit sind die Zielgruppe Grundschulen und Altersheime.

Keller: Wir könnten jetzt auch besprechen, was du verpasst, wenn du Gesellschaftsspiele so missachtest.

Hammelehle: Ich bin nicht grundsätzlich gegen Spiele. Aber das ist ein Buch für Leute, die sich mit befreundeten Pärchen zu "Siedler von Catan" treffen.

Keller: "Siedler von Catan"? Das ist ein schlechter Vergleich. Das dauert doch ewig. Das Buch dagegen war für meinen Geschmack viel zu schnell zu Ende.

Hammelehle: Mir ging es nur um den Menschenschlag: All-Age-Bücher lesen, "Siedler" spielen, Crocs tragen. Und Radfahren nur mit Regenhose.

Keller: Aus Prinzip würde ich dir schon gern widersprechen. Aber bedauerlicherweise habe ich mir gestern ein paar Crocs für den Gemüsegarten bestellt.

Maren Keller ist Redakteurin im Ressort Leben. Sie hofft, dass Suzanne Collins irgendwann über Snows Cousine Tigris schreibt. Sebastian Hammelehle leitet das SPIEGEL-Kulturressort. Er hört gern Musik und isst gern Kuchen.

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