Nach Einreiseverbot Trojanow erneuert in New York Vorwürfe gegen USA

Im Oktober wurde ihm noch die Einreise in die USA verweigert, jetzt durfte der Schriftsteller Ilija Trojanow doch ins Land. Bei einer Diskussionsrunde in New York wiederholte er den Verdacht, dass er wegen seiner NSA-Kritik bestraft werden sollte.

Beim zweiten Mal hat es nun endlich geklappt: Ilija Trojanow ist in den Vereinigten Staaten angekommen. Am Donnerstagabend sitzt er entspannt bei einer Diskussionsrunde im Goethe-Institut in New York und spricht mit der Journalistin Liesl Schillinger und der amerikanischen PEN-Präsidentin Suzanne Nossel über "Surveillance and the naked new world".

Noch im Oktober wollte der Schriftsteller eine Germanisten-Konferenz in Denver besuchen, als man ihm bei einem Zwischenstopp in Brasilien mitteilte, dass er amerikanischen Boden nicht betreten dürfe. Anschließend erklärte er, was er für die Gründe der Demütigung hält: sein Engagement gegen die NSA und einen offenen Brief an Angela Merkel, in dem er die Kanzlerin aufforderte, dringend etwas gegen die von Edward Snowden aufgedeckten Spähmechanismen zu tun. Das Goethe-Institut und der internationale Schriftstellerverband PEN hatten sich daraufhin für Trojanow eingesetzt und schließlich eine Aufhebung des Einreiseverbots bewirkt.

Und was war die Motivation der amerikanische Diplomaten? Trojanow, der 1965 in Bulgarien geboren wurde, 1971 nach Deutschland auswanderte und jetzt einen deutschen Pass besitzt, kann nur spekulieren. "Ich habe einen Anruf von der amerikanischen Botschaft bekommen. Man hat mir gesagt, man dürfe mir die Motive aus rechtlichen Gründen nicht nennen." Für den Schriftsteller, der mit der Autorin und Juristin Juli Zeh 2009 das Buch "Angriff auf die Freiheit" verfasste, liegen die Dinge auf der Hand: Wer sich mit dem amerikanischen Geheimdienst anlege, werde auf eine schwarze Liste gesetzt. "Ich hatte das Glück, dass sich die Medien für meinen Fall interessierten. Wegen des Drucks haben die amerikanischen Behörden das Einreiseverbot zurückgezogen. Aber nicht jeder hat so viel Glück wie ich."

Monster und Job-Maschine

Sowohl Trojanow als auch Suzanne Nossel vom PEN-Club bestätigen, dass Schriftsteller, die sich kritisch mit den Praktiken der NSA beschäftigten, immer häufiger Probleme bei der Einreise bekämen - aus willkürlichen Gründen.

Doch für Trojanow steht mehr auf dem Spiel als seine persönliche Reisefreiheit. Er sorgt sich um die westlichen Demokratien, deren Bürgerrechte mit Füßen getreten werden. "Jeder, der ein Handy besitzt, jeder, der im Internet surft, wird ausspioniert. Die Regierung kennt keine Grenzen im Überwachen. Wir müssen von unseren Politikern verlangen, dass sie den rechtlichen Rahmen neu bestimmen und öffentlich diskutieren, was Geheimdienste tun dürfen und was nicht." Viele Bürger seien sich der Gefahr nicht bewusst, weil digitale Spähaktionen unbemerkt am Computer stattfänden. "Während man in kommunistischen Ländern Abhöraktionen mit viel personellem Aufwand durchführen musste, reichen heute ein per Mausklicks."

Der Autor zeigt sich vor allem wegen des Desinteresses in den USA besorgt. Während die Deutschen aufgrund ihrer Vergangenheit mit Gestapo und Stasi die Gefahren eines aufgeblähten und ungebändigten Kontrollapparats abschätzen könnten, ließen sich die Amerikaner von Politikern, die ihre Abhöraktionen mit einem "Krieg gegen den Terror" rechtfertigten, leichtgläubig manipulieren. Hier dreht Trojanow auf: Er sieht erschütternde Parallelen zwischen den Praktiken der Stasi und der NSA, einem "Staat im Staat". "In den fünfziger Jahren war die Stasi eine relativ kleine Organisation. Die wurde dann in den achtziger Jahren immer größer und größer, bis sie zu einem unkontrollierbaren Monster mutierte, das nebenbei eine kostspielige und ineffiziente Job-Maschine war." Das drohe den USA jetzt auch.

In Deutschland seien sich zwar die Bürger dieser Gefahren bewusst, im Parlament jedoch herrsche Duckmäuserstimmung. Besonders hart geht der Schriftsteller mit der deutschen Regierung ins Gericht. Angela Merkel habe seine Protestbriefe nicht beantwortet; ihre harsche Reaktion nach der Handy-Abhöraktion hält er für scheinheilig.

Als sich Trojanow jetzt so missfällig über die Kanzlerin äußert, schaltet sich Peter Wittig, der im Saal sitzende deutsche Botschafter bei den Vereinigten Nationen ein. Er versichert, dass ernste Bemühungen unternommen würden, um die internationale Gemeinschaft zur Verabschiedung neuer Gesetze zu bewegen. Doch das überzeugt Trojanow nicht. Er spricht vom Gegenteil. "Gerade jetzt, während der Koalitionsverhandlung in Deutschland, fordert unser Innenminister, dass der Bundesnachrichtendienst ähnliche Befugnisse bekommt wie die NSA. So nach dem Motto: Was die haben, wollen wir auch."

Doch was sind die Grenzen der Freiheit? Wo hört Sicherheitswahn auf und fängt Nachlässigkeit an? Davon spricht Trojanow nicht. Stattdessen plädiert er für Bürgerinitiativen, eine Neujustierung der Gesetze und eine Einschränkung der geheimdienstlichen Rechte. Und bis es dazu kommt, müsse der kritische Umgang mit sozialen Netzwerken, Telefonen und E-Mails geschärft werden. "Meine 17-jährige Tochter weiß sehr genau, dass sie sehr vorsichtig sein muss, wenn sie ins Handy spricht. Ihr ist völlig klar: Es hört immer jemand mit."

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