Elke Heidenreich, DER SPIEGEL
Ror Wolf war ein Schriftsteller, den ich sehr geliebt habe. Ein bisschen verrückt, unglaublich produktiv, sehr witzig, sehr hintergründig, auch melancholisch, sehr komisch, irgendwie geschult an Beckett, an Kafka, an Robert Walser. Er hat ein gewaltiges Werk hinterlassen. Ror Wolf wurde 1932 geboren und er starb in diesem Jahr im Februar. Und jetzt hat der Schöffling-Verlag ein wunderschönes Buch rausgegeben, herausgegeben von Michael Lentz. Gedichte aus vielen Jahrzehnten von Ror Wolf. Wolf hat nicht nur Gedichte geschrieben, sondern auch Collagen gemacht. Man sieht es schon auf dem Titelbild. Und während ich Ihnen jetzt mal eines seiner Gedichte vorlesen, zeige ich Ihnen mal eine der Collagen, in der können Sie, während ich vorlese, spazieren gehen, und zwar eine Dame und ein Herr, eine Birne betrachtend. Gucken Sie mal!
"Ich mache heute ein Gedicht aus Nichts. Ich schreibe nichts, wenn keiner widerspricht. Ich sitze stumm bei ausgedrehtem Licht, damit mich keiner sieht und mein Gesicht zersticht und mir diskret die Finger bricht. Und eine Schicht kommt auf die andere Schicht. Ich verliere nicht das Gleichgewicht, die Übersicht, die Zuversicht, das nicht. Und jetzt wird das Gedicht veröffentlicht. Hier sind wir nun am Ende des Gedichts."
Das ist ein Gedicht von 1969. Und das Buch ist nicht nur voll mit den wunderbarsten Gedichten, sondern auch mit einigen der schönsten Collagen von Ror Wolf. Und ohne diese Collage möchte ich sie doch nicht entlassen. Bitte sehen Sie, was der Dame auf dem Busen sitzt. Es ist immer eine Mischung aus unheimlich, witzig und skurril. Was Schöneres können Sie in diesem Jahr zu Weihnachten überhaupt nicht verschenken. Als Ror Wolf "Alles andere ungewiss". Gedichte aus vielen Jahrzehnten, bei Schöffling erschienen.