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Arezu Weitholz: Jeden Freitag ein Fischgedicht

Foto: Mathias Hielscher

Fisch-Lyrik Die Flunder braucht Zunder

Von nervigen Stören und Doraden, die Nutella fade finden, handeln die witzigen Fischgedichte von Arezu Weitholz. Die Wahlberlinerin, die auch Songtexte für Herbert Grönemeyer und die Toten Hosen schreibt, taucht in dem Lyrikband in die Psyche der Meeresbewohner ein.

Dieses Fischgedicht, das ja eigentlich ein Lied ist, kennt praktisch jeder: "In einen Harung, jung und schlank / ss-tata tiralala / Der auf dem Meeresgrunde schwamm / ss-tata tiralala / Verliebte sich, oh Wunder / 'ne olle Flunder / Verliebte sich, oh Wunder / 'ne olle Flunder." Aber was ist mit diesem? "Die Flunder, die Flunder / die brauchte immer Zunder. / Sie tanzte gern von früh bis spät / und hofft, dass es so weitergeht."

Charakterlich sind die beiden Flundern sich ein wenig ähnlich, doch während die verliebte Flunder aus einem Volkslied stammt, ist die vergnügungsfreudige Flunder die Protagonistin eines Textes von Arezu Weitholz.

44 Gedichte über bekannte Arten wie Butt (der auch schon bei einem Nobelpreisträger zu Ehren kam), Forelle oder Sprotte und über zuvor unbekannte Arten wie Cowboyfisch oder Metaphorfisch hat die Wahlberlinerin in dem kleinen Band "Mein lieber Fisch" zusammengefasst.

Beim Immergut-Festival  in Neustrelitz liest die Fischverliebte daraus vor (29.5., 15.45 Uhr im Birkenhain), und das verspricht, alles andere als trockene Unterhaltung zu werden.

Eine Dorade, die Marmelade liebt

In dem von der Autorin selbst liebevoll krakelig illustrierten Gedichtband im Taschenkalenderformat taucht Weitholz ab in die Tiefe der Fischpsyche. Da ist zum Beispiel der grüblerische Petersfisch: "Doch war des Peters Naturell / nicht immer so spirituell / Nachts lag er wach und dachte nach / ob einer lenkt, wer ihn gemacht."

Oder Bernd, der Stör, eine Nervensäge: "Er weiß Werwer, Wiewo und Was / und immer alles besser. / Sind andre Fische einfach nass / ist er natürlich nässer."

Witzig, phantasievoll und vor allem originell sind die Betrachtungen über das Leben der Fische, die Weitholz, 42, da anstellt; so lustig, dass sie sich nicht nur zum Lesen, sondern auch zum gegenseitigen Vorlesen eignen.

Es könnte aber auch sein, dass nach der Lektüre Schluss ist mit Fisch vom Grill im portugiesischen Restaurant. Denn wer möchte schon "Doro, die Dorade" verspeisen, die Marmelade liebt und Nutella fade findet?

Beim Ostseeurlaub vor vielen Jahren habe sie ihr erstes Fischgedicht über die Forelle mit der Delle verfasst, aus dem Stegreif, um ihre Mutter aufzuheitern. Weil das prima funktionierte, hat sie dann jeden Freitag ihre Freunde mit einem frisch verfassten Fischgedicht erheitert.

Denn im Grunde, so die These von Arezu Weitholz, seien Menschen wie Fische - mit dem Unterschied, dass die einen Fahrrad fahren und die anderen nicht. Wenn Weitholz nicht über die Meeresbewohner reimt, dann hilft sie deutschen Pop- und Rockstars beim Verfassen ihrer Gedichte, besser gesagt, ihrer Songtexte. Herbert Grönemeyer zum Beispiel engagierte sie als Co-Texterin und Textdramaturgin, und auch an Songs von Udo Lindenberg und den Toten Hosen arbeitete sie mit. Es könnte also sein, dass die demnächst über die Einsamkeit der Cowboyfische singen.

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