Direktor der Buchmesse über rechte Verlage "Wir müssen es aushalten"

Er wollte den Dialog auf der Buchmesse propagieren, doch es kam zu Tumulten. Der Direktor der Frankfurter Buchmesse Juergen Boos über rechte Verlage und Medien-Skandalisierung.
Proteste bei Lesung von Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke

Proteste bei Lesung von Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa
Zur Person
Foto: Frankfurter Buchmesse / Bernd Hartung

Juergen Boos, 56, Buchhändler und Diplomkaufmann, ist seit 2005 Direktor der Frankfurter Buchmesse.

SPIEGEL ONLINE: Herr Boos, am Samstagabend kam es auf der Buchmesse zu Tumulten bei einer Veranstaltung des rechten Antaios-Verlags. Sie waren vor Ort, was war Ihr Eindruck?

Boos: Das war eine extrem aggressive Stimmung zwischen beiden Parteien, den Antifaschisten und den Neuen Rechten. Als wir beschlossen hatten, die Veranstaltung abzubrechen und ich die Teilnehmer mit dem Megafon zum Gehen auffordern wollte, wurde ich von beiden Gruppen niedergeschrien. Es war überhaupt kein Gespräch möglich, es ging nur um das Durchsetzen der eigenen Meinung.

SPIEGEL ONLINE: Wenn es nur um die Zementierung der eigenen Meinung geht und nicht um den Austausch - ist es dann richtig, eine solche Veranstaltung zuzulassen?

Boos: Die Buchmesse steht für eine liberale, eine sehr offene Position. Wir lehnen die politische Haltung und verlegerischen Aktivitäten der Neuen Rechten entschieden ab. Ich will die rechten Verlage nicht hier haben, aber wir müssen sie zulassen.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

Boos: Bücher sind natürlich als Produkt immer politisch, aber wir sind eine Handelsmesse mit Monopolstellung weltweit. Das heißt, wenn wir den Zugang verwehren, kann man dagegen rechtlich vorgehen. Seit der Neugründung der Buchmesse 1949 wurde nur einmal ein Stand nicht zugelassen - der iranische, nachdem Staatschef Khomeini Salman Rushdie mittels einer Fatwa zum Tode verurteilt hatte. Das war eine ganz andere Dimension.

SPIEGEL ONLINE: Wie genau sah das Sicherheitskonzept am Samstagabend aus?

Boos: Darüber kann ich nicht sprechen. Nur so viel: Es gab ein komplexes Zusammenspiel von Security, die wir über die Messe Frankfurt engagieren, und Polizei. Dass es zu Auseinandersetzungen kommen könnte, wussten wir vorher. Wir hatten deshalb relativ viel Polizei vor Ort.

SPIEGEL ONLINE: Als während der ersten Veranstaltung mit Björn Höcke die Rangeleien losgingen, schritten aber erst nach einer Weile Polizisten ein, die auch als solche erkennbar waren.

Boos: Ich war bei dieser ersten Eskalation noch nicht vor Ort. Und ich bin nicht Demonstrationsprofi, ich bin Verleger. Aber ich glaube, es hätte auch leicht zu mehr Gewalt führen können, wenn wir offensiver agiert hätten. Ich vertraue da der Einschätzung der Polizei und den Sicherheitskräften.

SPIEGEL ONLINE: Welche Konsequenzen ziehen Sie für das kommende Jahr, damit so etwas nicht mehr passiert?

Boos: Sie meinen mehr Polizei? Dadurch kriegen solche Veranstaltungen doch noch mehr Öffentlichkeit, dann eskaliert es doch noch eher. Gestern trafen sich zwei Gruppen, die sich über den Hass definieren. Die wollen den Hass, um sich selbst als Gruppe stärker zu fühlen. Und übrigens finde ich, dass ihre Erregung auch durch die Medien gefüttert wird.

SPIEGEL ONLINE: Erklären Sie das.

Boos: Schon im Vorhinein wurde ausführlich über die drei, vier rechten Stände berichtet und ihre Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse skandalisiert. Das Interesse an der Sensation macht solche Veranstaltungen noch wirkmächtiger. Das finde ich ganz schlimm. Ich finde, wir müssen gerade deshalb bei unserer Position bleiben: Wir müssen es aushalten, wenn da jemand ist, dem wir nicht zuhören wollen. Wenn wir das verbieten, können wir den Laden auch gleich zumachen.

SPIEGEL ONLINE: Wie häufig gab es schon Auseinandersetzungen wie die gestrige auf der Buchmesse?

Boos: Das, was gestern Abend passiert ist, ist nichts im Vergleich zu anderen Tumulten - zum Beispiel, als Franz Josef Strauß nach dem Nachrüstungsbeschluss auf der Buchmesse war.

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Tumult bei Frankfurter Buchmesse: „Ihr seid Nazis. Punkt.“

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa
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