Frankfurter Buchmesse Partys, Preise, Erschöpfung

Man wird herumhetzen, im Vorbeigehen hastig grüßen und sich über die Preise ärgern. Wie jedes Jahr. Aber worüber wird man auf der Frankfurter Buchmesse in dieser Woche reden? Über den Deutschen Buchpreis, das E-Book und, natürlich, über das Gastland Türkei.

Das Ereignis lässt sich auch kurz und sachlich zusammenfassen: Vom 15. bis 19. Oktober findet in Frankfurt die 60. internationale Buchmesse statt. Buchmesse, das heißt Gedrängel und Neugier, schlechte Luft in den Messehallen, hastiges Grüßen auf der Rolltreppe, blaues Sofa und absurde Hotelpreise, Autorenlesungen, in die das Interview mit dem Schriftsteller am Stand nebenan hineinschallt, vor allem Bücher, Bücher, Bücher und die Frage: Wer soll das eigentlich alles lesen? Buchmesse heißt auch Kater am Morgen danach, Agenten, Rechte, Einladungen, Partys, Preise, Erschöpfung.


Und von dem üblichen Wahnsinn mal abgesehen? Drei Themen werden in diesem Jahr bestimmend sein. Gleich am Montagabend wird zum vierten Mal der Deutsche Buchpreis vergeben. Favorit ist Uwe Tellkamp, dessen fast tausend Seiten starker Roman "Der Turm" in den letzten Jahren vor dem Mauerfall in der DDR spielt und vor allem das Leben Christian Hoffmanns erzählt, dem Sohn eines recht bourgoisen Ehepaars aus Dresden, der sich in der Gesellschaft von Medizinern, Schriftstellern und Lektoren bewegt, dann aber bei der Volksarmee mit Denunziation und Gängelung zurechtkommen muss.

"Der Turm" ist jener Wenderoman, den manche Großkritiker seit Jahren schmerzlich vermissen und schon deshalb Buchpreis-verdächtig. Und Familienromane, die erzählend einen historischen Bogen schlagen, sind auch in den Jahren zuvor gern ausgezeichnet worden. Wer immer schließlich der Preisträger sein wird, die vier anderen Nominierten werden sich anstrengen müssen, freundlich zu gucken.

Wie quälend die in Oscar-Manier aufgezogene Preisverleihung sein kann, hat der Schriftsteller Daniel Kehlmann vor wenigen Wochen im Internet-Forum der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beschrieben. Den Nicht-Gewinnern bleibt ein Trostpreisgeld von 2000 Euro. Und Kehlmann verkaufte seinen Roman "Die Vermessung der Welt", mit dem er 2005 nicht gewann, dann trotzdem weit über eine Million Mal.

Das Gesprächsthema unter Verlagsleuten wird auf dieser Buchmesse das E-Book sein. Amazon will sein elektronisches Lesegerät Kindle in Frankfurt vorstellen. Der Börsenverein präsentiert einen Relaunch der Seite Libreka, auf der bis Ende des Jahres hunderttausend Buchtitel in Volltextsuche verfügbar sein sollen. Wie sehr die taschenbuchgroßen elektronischen Lesegeräte (von denen Sony das bisher schönste Modell entwickelt hat, das im kommenden Jahr auch in Deutschland zu kaufen sein wird) den Buchmarkt verändern, ist noch völlig ungewiss.

Im Moment schwankt die Stimmung zwischen "Wir sind Teil einer Revolution" (Helge Malchow, Verleger von Kiepenheuer und Witsch") bis hin zu "Ich sehe im privaten Bereich keinen Markt für E-Books (Hartwig Schulte-Loh, Geschäftsführer des Kulturkaufhauses Dussmann). Als Vielleser kann man von dem E-Book nur begeistert sein, weil es einen schnellen, unkomplizierten Zugang zur eigenen Wunschbibliothek ermöglicht. Und abends im Bett darf man ja trotzdem noch das Buch mit dem schönen Umschlag und den Papierseiten zur Hand nehmen und anschließend dekorativ ins Regal stellen.

Und Thema Nummer drei: Gastland der Buchmesse ist in diesem Jahr die Türkei. Weshalb schon bei der Eröffnung der Literatur Nobelpreisträger Orhan Pamuk anwesend sein wird, der dann in den folgenden Tagen noch in verschiedenen Lesungen und Gesprächen auftritt. Doch Pamuk ist nicht der einzige Schriftsteller aus der Türkei, wie man im Westen manchmal den Eindruck haben könnte. Viele deutsche Verlage haben in ihrem Herbstprogramm Romane veröffentlicht, die ein schillerndes, widersprüchliches Bild der türkischen Gesellschaft schildern. Dazu zählen - um nur zwei zu nennen - "Der Bonbonpalast" von Elif Shafak (Eichborn, Berlin) und "Am Rand" von Sebnem Isigüzel (Berlin Verlag). Auch Feridun Zaimoglu, deutscher Schriftsteller mit türkischen Wurzeln, wird in Frankfurt sein, um seinen Roman "Liebesbrand" zu präsentieren. Für irgendwann in nicht zu ferner Zukunft wünscht er sich einmal Deutschland als Gastland der Buchmesse.

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