Literaturnobelpreisträger García Márquez Treu bis in den Tod

Anti-Imperialist und Linker im besten Sinne: Der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez galt als eine der wichtigsten politischen Stimmen Lateinamerikas - und als unverbrüchlicher Freund Fidel Castros bis zum Ende.
Literaturnobelpreisträger García Márquez: Treu bis in den Tod

Literaturnobelpreisträger García Márquez: Treu bis in den Tod

Foto: ADALBERTO ROQUE/ AFP

Wenige Tage vor seinem Tod machten die Kolumbianer Gabriel García Márquez noch einmal ungewollt eine Liebeserklärung. In einer Umfrage kürten sie ihn zu einem der größten Vorbilder und einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Landes.

In seiner Heimat war der Literat schon lange ein klassen- und generationenübergreifendes Symbol des Nationalstolzes. Die Kolumbianer hatten García Márquez längst verziehen, dass er dem Land Jahrzehnte zuvor den Rücken kehrte, weil seine linken politischen Ansichten mit dem konservativen Machtestablishment kollidierten. 1981 floh García Márquez regelrecht aus Kolumbien, weil der damalige Präsident Julio Turbay ihn verdächtigte, die Guerilla M-19 zu finanzieren. Der Schriftsteller beantragte Asyl in Mexiko.

Rund die Hälfte seines Lebens verbrachte García Márquez außerhalb Kolumbiens, die meiste Zeit in Mexiko, wo er auch am Gründonnerstag im Alter von 87 Jahren starb. In Mexiko entstand zwischen 1965 und 1966 auch "Hundert Jahre Einsamkeit", das Werk, das den Weltruhm des Schriftstellers begründete.

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Zum Tode von Gabriel García Márquez: Linker im besten Sinne

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Als er mit diesem Roman plötzlich auf die Weltbühne katapultiert wurde, hatte er aber in Lateinamerika schon lange als Essayist, Kommentator und Intellektueller einen Namen. Gabo äußerte sich in internationalen Blättern bereits früh zu den unterschiedlichsten Themen aus Politik und Gesellschaft. Für ihn war es kein Widerspruch, Romancier und politischer Autor gleichzeitig zu sein. Im Gegenteil, das eine bedingte für García Márquez stets das andere. In seiner Literatur zeichnete er seine Chroniken und Familiengeschichten immer vor einem historisch-politischen Kontext. Im Leben außerhalb der Schriftstellerei war er ein politischer Kopf mit dezidierten Meinungen.

García Márquez war strenger Anti-Imperialist, ein Linker im besten Sinne, der sich aber nie ein Etikett verpassen ließ: Die Zeitschrift "Playboy" fragte ihn 1983 in einem Interview, ob er Kommunist sei. Fast entrüstet antwortete er: "Natürlich nicht. Bin ich nicht, war ich nie. Ich war auch nie Mitglied einer Partei."

Mächtige Freunde

Aber er schmiegte sich stets an die Mächtigen und war fasziniert von der Aura der Macht, ohne jemals versucht gewesen zu sein, sie selbst auszuüben.

Darin unterschied er sich fundamental von Kollegen wie dem Schriftsteller Rómulo Gallegos, der 1948 kurzfristig Präsident Venezuelas wurde, oder seinem vorübergehenden Freund Mario Vargas Llosa, der sich 1990 vergeblich um das höchste Staatsamt in Peru bewarb. Selbst der Chilene Pablo Neruda, früher Bewunderer von García Márquez, war 1969 kurzfristig Präsidentschaftskandidat für die Kommunistische Partei und wurde später zu Zeiten von Staatschef Salvador Allende Botschafter in Paris.

Der Kolumbianer erlag diesen Versuchungen nie. "García Márquez ist eine Ikone, die in intimer Art und Weise mit dem historischen und politischen Geschehen Lateinamerikas verwoben ist", beschrieb ihn sein britischer Biograf Gerald Martin einmal. "Aber er wollte immer nur Zeuge der Macht sein."

Dafür pflegte Gabo sein Leben lang Freundschaften zu großen Politikern. Manche Beziehungen waren flüchtig, andere von Dauer. So gehörte der spanische Sozialist und frühere Ministerpräsident Felipe González ebenso zu seinen Freunden wie Frankreichs Präsident François Mitterand oder US-Präsident Bill Clinton. Letzterer war es auch, der das jahrelange Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten aufhob, das über García Márquez wegen seiner angeblich subversiven Ansichten verhängt worden war.

Seine intimste, längste und umstrittenste Freundschaft unterhielt der Kolumbianer zum kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro. Sie war 58 Jahre lang unverbrüchlich: "Ich gehöre zu denen, die sich mit ihren Freunden begraben lassen", beschrieb Gabo einmal seine Beziehung zu dem Kubaner. Er lebte zeitweise in Havanna, wo ihm Castro eine luxuriöse Villa zur Verfügung stellte. Dort führten die beiden charismatischsten Lateinamerikaner des zwanzigsten Jahrhunderts unzählige Gespräche über Essen, Literatur und Politik.

"Für Europa ist Südamerika ein Mann mit Schnurrbart"

García Márquez hielt auch weiter zu Castro, als die Verfolgung politisch Andersdenkender auf Kuba zunahm und sich daraufhin fast alle Linksintellektuellen und Schriftsteller Iberoamerikas von dem Sozialisten lossagten. Mario Vargas Llosa schalt García Márquez auf dem New Yorker PEN-Kongress 1986 einen "Höfling Castros".

Die Verbindung zwischen Gabo und Castro war so eng, dass der Nobelpreis für den Literaten 1982 auf der Insel so ausgiebig gefeiert wurde, als habe ihn ein Kubaner erhalten. García Márquez hat, so geht die Legende, Castro die Manuskriptentwürfe seiner Bücher stets als einem der Ersten zum Lesen gegeben, um seine Meinung zu hören.

Politisch kämpfte García Márquez immer gegen die Verkennung seines geliebten Lateinamerikas. In seiner viel beachteten Dankesrede nach Zuerkennung des Literaturnobelpreises kritisierte er Europa für Stereotype und Fehleinschätzungen. Die Rede mit dem Titel "Die Einsamkeit Lateinamerikas" war ein Plädoyer dafür, mehr Verständnis für die politischen Versuche der Region aufzubringen, eigene Wege aus Armut und Ungerechtigkeit zu finden.

Für Europa, so sagte García Márquez bei anderer Gelegenheit einmal, ist Südamerika ein Mann mit Schnurrbart, Gitarre und Revolver.

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