
Gunter Gluecklich / laif
Zu groß lässt sich das Vorhaben dieses Denkers kaum beschreiben: Nicht nur die Elementarbegriffe menschlicher Erfahrung suchte er grundlegend zu erneuern – auch die Geschichte der Philosophie unterzog er einer kritischen Betrachtung, bei der kaum ein Klassiker-Stein auf dem anderen blieb. Bereits mit 52 Jahren legte Hermann Schmitz, seit 1971 Professor in Kiel, ein zehnbändiges »System der Philosophie« vor, das er stetig erweiterte. Quell aller »Verfehlungen« des Geistes seit der Antike war für Schmitz die Trennung einer vermeintlich objektiven Außenwelt von der subjektiven Wahrnehmung; dem Dualismus von Körper und Geist stellte er seine Phänomenologie der Leiblichkeit und des Spürens entgegen. Die Möglichkeiten des Menschen, Atmosphärisches wahrzunehmen und zu beschreiben, waren für ihn das Desiderat der Philosophie, die Beschränkung der subjektiven Erkenntnistheorie auf die Sinnesorgane ein kategoriales Versäumnis. Rezipiert und weiterentwickelt wurde seine eigensinnige Anthropologie vor allem von der Psychologie, der Medizin, der Musik- wie auch der Religionswissenschaft. In seiner Zunft blieb er ein Solitär; in seinen »Ausgrabungen zum wirklichen Leben«, einer »Bilanz«, erwähnte er mit grimmiger Ironie seine »diskursive Einsamkeit«, die ihm wiederum Zeit zum Denken lasse. Hermann Schmitz starb am 5. Mai in Kiel.